Isi, als wir das Foto zum Interview gemacht haben, hast du sofort gemeint: „Bitte nicht die Böser-Türsteher-Pose mit verschränkten Armen“ – warum nicht?
ISI KOLCU: Ich hasse das. Ich verbiete es auch meinen Jungs, dass sie so dastehen. Die Zeiten sind vorbei, wo ein Türsteher einfach nur an seiner Ecke gestanden ist und nur böse geschaut hat, ob jemand kämpft und dann dazwischengeht.

Als was verstehst du dich mittlerweile?
Man kann sagen, ich bin der Empfangschef. Ich bin sozusagen das erste Gesicht, das ein Gast sieht, wenn er kommt und das Letzte, das er sieht, wenn er geht. Wir Türsteher sind aber auch eine Schulter für die Gäste. Wenn jemand von seiner Freundin oder Freund verlassen worden ist, dann versuchen wir, zu trösten. Wir sind die erste Person, die jemandem ein Pflaster drauf gibt, wenn er sich in den Finger geschnitten hat. Und dich bis zum Taxi begleitet, wenn du zu besoffen bist.

Du bist seit 21 Jahren für die Sicherheit bei Events und in Clubs zuständig. Wie geht es einem, wenn man immer vor der Tür oder abseits der Tanzfläche stehen muss und nicht mitfeiern kann?
Ich habe viele Türsteher gesehen, die stellen sich einfach hin und zählen die Stunden. Das war nie meine Einstellung. Wenn das Lokal voll und die Party im Gange ist, feiere ich auch gern mit meinen Gästen mit. Es muss nicht unbedingt Alkohol dabei sein, ich spüre gern den Puls des Publikums mit – und berichte auch weiter, was den Gästen taugt und was sie stört. Ich bin schon mehr als elf Jahre hier im Kottulinsky, es ist wie mein eigener Betrieb geworden. Das war immer bei mir so: Egal, wo ich gearbeitet habe, habe ich immer aufgepasst, als wäre es mein eigenes Lokal.

Bitte nicht! Die klassische Türsteher-Pose mit den verschränkten Armen hat Isi Kolcu nur unserem Fotografen zuliebe eingenommen
Bitte nicht! Die klassische Türsteher-Pose mit den verschränkten Armen hat Isi Kolcu nur unserem Fotografen zuliebe eingenommen © Stefan Pajman



Wie hat sich der Job verändert in den letzten zwei Dekaden?
Erst haben wir Rausschmeißer geheißen, dann waren wir Türsteher, dann Security. Mittlerweile sind wir die Personen, die die Gäste sicher durch den Abend begleiten. Wir sind eigentlich mittlerweile Freunde und große Brüder.

Muss man als Security nicht trotzdem eine Distanz zu den Gästen wahren?
Meine Einstellung war immer, dass die Leute als Gäste kommen und das Haus als Freunde verlassen sollen, weil wenn irgendwas ist mit Freunden, kann das viel besser und schneller regeln als mit Wildfremden. Freunde machen dir keine Kopfschmerzen.

Und wie hat sich das Publikum verändert? Man hört immer wieder, die Leute hätten das Feiern verlernt – siehst du das auch so?
Vor 20 Jahren konnten die Leute noch richtig feiern. Da hat man sich schön angezogen, die Herren im Hemd, die Damen fast alle mit Stöckelschuhen. Dann ist man um 20 Uhr essen gegangen, dann in eine Bar und dann erst in den Club. Und in der Früh noch Frühstücken.

Und heute?
Heute sind die meisten zum Vorglühen daheim und halten dann nicht so lange durch. Vor allem bei der neuen Generation muss ich sagen: Sie glauben, besoffen sein ist cool. Sie glauben, den Türsteher zu beleidigen ist cool. Sie verstehen nicht, dass das eigentlich peinlich ist. Und wer eigentlich am längeren Ast sitzt.

Wird man oft provoziert?
Klar. Man ist als Türsteher, wenn man es falsch macht, mit einem Fuß im Gefängnis und mit dem anderen im Grab. Als Heißläufer braucht man den Job gar nicht zu machen. Als Heißläufer zahlst du absolut drauf. 

Wie gehst du damit um?
Ich versuche immer, meinen Jungs zu erklären, dass die Leute in dem Moment, wo sie zurück schimpfen, schon gewonnen haben. Mit der Zeit wird man erwachsener und gescheiter und man lernt, dass Muskeln nicht alles sind. Man lernt, dass Wissen und Respekt und Benehmen viel, viel mehr wert sind. Wenn es darauf ankommt, muss man das natürlich auch schaffen. Man muss seine Gäste verteidigen können. Gar keine Frage, wir sind zuständig für die Sicherheit von den Gästen. Wo keine Sicherheit ist, wo man sich nicht sicher fühlt, kann man auch nicht feiern. Ein intelligenter Mensch spielt sowieso nicht den Idioten, wenn er irgendwo nicht hineinkommt. Er könnte irgendwo anders hingehen, zu Hause vor dem Fernseher sitzen, oder schlafen, wenn er gescheit genug ist. Aber wie gesagt, er blamiert sich selber. 

Wie streng ist die Türpolitik im Kottulinsky?
Wenn jemand sehr besoffen oder respektlos ist, dann brauche ich den gar nicht erst reinzulassen, denn er wird auch drinnen die anderen belästigen. Was Kleidung angeht: Jemanden mit Sport- oder dreckigen Klamotten lassen wir nicht rein. Das ist nicht unser Stil. Vom Studenten angefangen, Doktor, Politiker oder Sportler – jeder hat das gleiche Recht zu feiern. Ein gewisses Niveau muss es aber haben.

Wann hat man als Türsteher die richtige Entscheidung getroffen?
Ich bin nicht stolz auf die, die ich rausgeschmissen habe, sondern auf die, die sich am nächsten Tag bei mir entschuldigen und sogar dafür bedanken, dass ich sie nicht reingelassen habe. Wenn ich jemanden rausschmeiße, habe ich eigentlich schon versagt: Weil ich offenbar den Falschen reingelassen habe.

Du bist aus der Türkei, wo du eine Militärausbildung hattest, nach Österreich gekommen. Wie ging es dir am Anfang als „Ausländer“?
Vor 21 Jahren war ich der einzige ausländische Türsteher – und der einzige, der nicht auf Anabolika war. Ich musste mir erst den Respekt der Kollegen erarbeiten. Österreich und Graz waren zu mir sehr, sehr gut. In meinem Job kann ich etwas zurückgeben: Ich kann etwas Gutes tun kann für Menschen, wenn sie besoffen sind oder wenn sie bedrängt werden und Hilfe brauchen. Es erfüllt mich.

Was war das Schlimmste, das dir je an der Tür passiert ist?
In einer Großraumdisco ist um 5 Uhr früh einer gekommen und hat seine zwei Hunde auf uns losgelassen, weil wir ihn vorher rausgeschmissen hatten. Danach hat er mir noch eine Waffe ins Gesicht gehalten. Damals habe ich ihn entwaffnet, auf dem Boden fixiert und ihn der Polizei übergeben.

Und das Lustigste?
Da gibt es vieles! Was mir immer wieder einmal passiert, ist, dass mir jemand damit droht, dass er den Isi kennt – und der wird dafür sorgen, dass ich rausgeschmissen werde.

Vor Isi hast du aber keine Angst, oder?
Vor Isi muss man auch keine Angst haben. Er hat natürlich viele Fassaden und Gesichter, aber es hängt von der Person ab, die mir gegenüber steht. Wer zu mir nett ist, zu dem bin ich auch nett. Wer mir blöd kommt, zu dem bin ich immer noch weiter nett – so lange das geht.

Möchtest du bis zur Pensionierung im Nachtleben arbeiten?
Ich kann mir keinen schöneren Job wünschen als das, was ich jetzt gerade mache. Ich mache es, solange es mir Spaß macht – ich arbeite aber Tag und Nacht. Es kommen auch viele Jobs, Personenschutz oder fürs Fernsehen dazu, und ich bin der erste Kontakt, wenn Fußballteams aus der Türkei kommen. Ich tanze auf vielen Hochzeiten. Und ich tanze gerne.