Ein kleines Bier am Tag, ein Joint alle 14 Tage, viermonatlich Kokain und alle zwei Jahre Crystal Meth. Das ist das Drogenprofil eines typischen Grazers oder einer Grazerin – zumindest wenn es nach der Abwasseranalyse geht. „Eine Schwäche hat diese Analyse allerdings“, sagt Ulf Zeder, der Suchtkoordinator der Stadt Graz. „Sie ist sehr ungenau.“
Wer relativ genau über den illegalen Drogenkonsum in der steirischen Landeshauptstadt Bescheid weiß, ist Harald Ploder, Leiter des Kontaktladens der Caritas Steiermark. Angesiedelt direkt neben dem Grazer Orpheum, bieten sein Team und er niederschwelliges Streetwork im Drogenbereich an. Seit einem Jahr läuft hier außerdem das Projekt „Triptalks“. Drogenkonsumenten können ihre Pulver, Tabletten oder auch Flüssigkeiten, die eigentlich rechtlich verboten sind, kostenlos und anonym auf den tatsächlichen Inhalt testen lassen. Ähnliche Angebote gibt es nur in Wien (CheckIt!) und Innsbruck (Z6).
657 Substanztestungen in einem Jahr
Groß ist er nicht. Der Raum, in dem Konsumenten einmal wöchentlich ihre Substanzen zur Analyse abgeben können, erinnert an einen improvisierten Besprechungsraum. Rechts und links Regale, zwei große Pflanzen, in der Mitte ein Tisch. An dem hat Harald Ploder Platz genommen und lässt das vergangene Jahr Revue passieren. Seit August 2022 hat man in Zusammenarbeit mit der Uni Graz insgesamt 657 Substanztestungen durchgeführt. Bezahlt hat die das Land Steiermark, während die Stadt Graz und der Gesundheitsfonds Steiermark den Kontaktladen finanziert. Zum Vergleich: Bei CheckIt! in Wien wurden im gesamten Jahr 2022 1836 vermeintlich psychoaktive Substanzen zum Test abgegeben.
Der Großteil der Substanzen (insgesamt 204 Proben) wurde als Kokain abgegeben. „Kokain hat in unserer Stichprobe einen mittleren Reinheitswert von 63 Prozent, aber es wurden auch Spitzenwerte von 99 Prozent getestet“, sagt Ploder. In den letzten Jahren sei Kokain in ganz Europa reiner geworden, weiß Suchtkoordinator Zeder. Auch seitens der Kriminalpolizei hat man eine Trendwende festgestellt. „Bei zahlreichen Straßenkontrollen in Graz wird vermehrt Kokain aufgegriffen, wobei die Reinheit sehr hoch ist. In ganz Österreich dürfte es ein Überangebot geben, die Dealer strecken ihre Ware weniger“, erklärt Chefinspektor Hermann Ozwirk vom Fachbereich 03 (Suchtmittel) der LPD Steiermark auf Nachfrage.
Welche Drogen im Rahmen des ersten „Triptalk“-Jahres noch getestet wurden? 124 Speed-Proben, 65 Mal Heroin, 65 Stück Ecstasy, 28 Proben von LSD und 25 Mal Ketamin. „Im Durchschnitt kommen bei jedem Termin rund zehn Konsumenten, um Substanzen testen zu lassen“, beschreibt Harald Ploder den Prozess. Die Abgabe – je nach Droge werden etwa zehn Milligramm entnommen – erfolgt jeden Montag, bis Freitag stehen die Ergebnisse dann fest. Getestet werden die illegalen Substanzen an der Uni Graz am Institut für pharmazeutische Wissenschaften.
Buntere und harmloser aussehende Pillen
Grüne Pillen in Bärchenform, gelbe mit Spongebob-Aufdruck: Universitätsprofessor Martin Schmid reiht ein Schälchen nach dem anderen fein säuberlich auf den Tisch auf. Was auf den ersten Blick an Süßigkeiten erinnert, ist tatsächlich die Partydroge Ecstasy. In Sachen Drogen hat Schmid im Laufe seiner Karriere schon einiges gesehen. Neu ist, dass die Pillen immer bunter, immer harmloser aussehen. „Es gibt keine Qualitätssicherung in diesem Segment: Man weiß weder, was man da konsumiert, noch wie stark das Zeug ist.“ Umso wichtiger sei der Drogencheck, ist der Experte überzeugt.
Legale und illegale Substanzen: Mehr Aufklärung!
Eine, die das Angebot dankend annimmt, ist Carolina Subowa. „Es ist immer die klügste Lösung, das, was man konsumieren möchte, testen zu lassen. Das gibt Sicherheit, man weiß, was darin enthalten ist“, sagt die 31-Jährige, die ganz offen über ihren Drogenkonsum spricht. Als angehende Psychologin beschäftigt sie sich intensiv mit der therapeutischen Wirkung von psychoaktiven Substanzen wie MDMA, LSD oder Ketamin und schreibt darüber gerade ihre Masterarbeit. Doch auch in ihrer Freizeit konsumiere sie lieber MDMA als Alkohol. „Eine Gesellschaft, die Kinder von Beginn an dazu verleitet, Alkohol zu trinken, aber MDMA oder Cannabis verbietet, die ist doch widersprüchlich“, sagt Subowa. Sie wünscht sich mehr Aufklärung in Bezug auf legale und illegale Substanzen. Angebote wie das „Drug Checking“ seien deswegen wichtig, um die Sicherheit der Konsumenten zu gewährleisten und vor gefährlichen Inhaltsstoffen und Überdosierungen zu warnen.
Das Projekt „Triptalks“ versucht, Drogenkonsumenten möglichst früh abzuholen. Der Fokus liegt dabei auf „Safer Use“ und „Harm Reduction“, also sicherem Konsumieren und Schadensbegrenzung. „Das Ergebnis einer Substanztestung ist immer verbunden mit dem Angebot einer Beratung“, so Harald Ploder vom Kontaktladen. „Die Entscheidung über den Konsum bliebt jedoch beim Angebotsnutzenden.“ Durch die Substanztestung erreiche man immer wieder auch Menschen, die infolge der Auswertungen vom Konsum absehen oder zumindest vorsichtiger werden würden.
Sollte der Drogenkonsum dennoch problematisch werden, versucht man, durch den engen Kontakt zur Szene erste Anlaufstelle zu sein. Kommunikation auf Augenhöhe sei wichtig, ist auch Ulf Zeder überzeugt. „Je mehr ich mit den Leuten reden kann, desto besser stelle ich Augenhöhe her. Durch die Prohibition reagiert man oft zu spät. Man verlagert die ganze Sache in den illegalen Raum.“ Was den Suchtkoordinator erstaunt hat: „In Graz wurde ,Triptalks‘ von Anfang an gut angenommen und war ein Erfolg.“ In Innsbruck hätte es Jahre gedauert, bis Konsumenten bereit gewesen wären, ihre illegalen Drogen testen zu lassen.
Ulf Zeder hat generell eine ganz gute Übersicht über den Drogenkonsum in Graz. Auf seinem Tisch landen 1500 bis 1700 Anzeigen nach dem Suchtmittelgesetz pro Jahr. Davon würden rund 75 Prozent Marihuana und Haschisch betreffen. „Die meistkonsumierte und -verkaufte Droge in Graz ist sicher Cannabis“, sagt auch Chefinspektor Ozwirk. Auch er sieht kein akutes Drogenproblem. „Wir haben alle Substanzen, in kleinerem Ausmaß auch Heroin. Wir arbeiten an vielen Baustellen, aber es gibt jetzt kein großes Problem in Graz.“