Ich lebe seit 22 Jahren mit meiner Behinderung, aber lasse im Leben ungern etwas aus. Arbeit, Ehe, Kinder, Elternverein – für mich bitte immer nur das volle Programm. Daher hetze ich üblicherweise von einem Termin zu nächsten.
Aber ich weiß auch, was für ein Privileg dieses Leben ist, denn niemand hat es mir zugetraut. Das kann man auch Ausgrenzung, Diskriminierung oder mit einem neuen Wort "Ableismus" nennen und Ableismus tut weh. Ähnlich wie bei Rassismus oder Sexismus werden wir Menschen mit Behinderungen nämlich strukturell diskriminiert. Nur kann es uns alle einmal betreffen, denn niemand ist davor gefeit. Nur drei Prozent kommen mit Behinderungen zur Welt, alle anderen bekommen ihre Behinderung im Lauf ihres Lebens.
Keine guten Nachrichten, denken Sie sich jetzt wahrscheinlich, aber nein, nein – alles andere als das! Wer in Österreich lebt, hat das Privileg, ganz viele barrierefreie Gebäude, eine barrierefreie Staatsbahn und ausreichende barrierefreie Freizeitangebote nutzen zu können. Denn wir haben Gesetze, die Diskriminierungen im täglichen Leben verbieten.
Und wir Grazer haben es noch besser, nicht nur haben wir schon seit 37 Jahren ein eigenes Referat für barrierefreies Bauen, sondern wir begehen auch einmal jährlich die Woche der Inklusion mit vielen Workshops und Veranstaltungen, um gelungene Inklusionsprojekte darzustellen und neue voranzutreiben. Modepuppen in Schaufenstern sitzen dann plötzlich im Rollstuhl oder tragen eine dunkle Brille. Gesunde Menschen probieren Rollstuhlfahren aus und tasten sich mit Langstöcken und einer Augenbinde durch die Leitsysteme. Diese taktilen Leitsysteme sind wichtig, sie ermöglichen es blinden Menschen, selbstbestimmt und überwiegend allein durch die Stadt zu navigieren.
Mit einem Lächeln erinnere ich mich zurück an meine ersten Erfahrungen als junge, rollstuhlnutzende Studentin in Graz, die nicht wusste, wofür die Rillen im Boden gebraucht werden. Für mich waren sie sehr unangenehm – und bis ich aufgeklärt wurde, wofür sie da waren, habe ich schon mal den einen oder Leitstreifen verflucht, wenn dieser mal wieder meine Vorderräder blockierte.
Aber so ist das mit der Barrierefreiheit – nicht immer haben wir Menschen mit Behinderungen die gleichen Anforderungen, aber gemeinsam können wir es schaffen, die Umwelt für alle barrierefreier zu gestalten. Schon im Kulturjahr 2003 war die Barrierefreiheit ein wichtiger Faktor bei vielen neuen Gebäuden. Stufenloser Zugang, barrierefreie WC-Anlagen, Glasmarkierungen und Höranlagen sind spätestens seit damals keine luxuriösen Sonderelemente mehr, sondern absoluter Standard. Menschen mit Behinderungen werden so wieder zurück in die Gesellschaft geholt, wo sie eigentlich immer hätten bleiben sollen.
Wenn ich heute meine Studierenden frage, warum sie sich für barrierefreies Bauen interessieren, erhalte ich immer öfter die Antwort, sie möchten für alle Menschen bauen und jedem die Möglichkeit geben, ihre Architektur erleben zu können.
Diese jungen Personen zeigen es uns vor. Alle Kinder sollen die Chance haben, inklusiv in der Schule aufgenommen zu werden. Jeder Jugendliche soll die Chance bekommen, in die Berufswelt einzusteigen und einen Beruf mit angemessenem Gehalt und Sozialversicherung auszuüben.
Damit auch diese Inklusion endlich möglich wird, sind viele Bemühungen notwendig. Und genau dafür brauchen wir eine Woche der Inklusion! Die Welt wird mit jedem Quäntchen Verständnis barrierefreier nicht nur für uns Menschen, die schon eine Behinderung haben, sondern für alle. Auch jene, die heute noch nicht wissen, was sie erwartet, aber jetzt schon sicher sein können, dass wir für Sie und die beste Inklusion kämpfen!
Barbara Sima-Ruml