Mit dem Auto nach Pakistan. Das allein wäre für die meisten Menschen schon Abenteuer genug. Hanns Schell erzählt es nur en passant, er hatte in Pakistan gewichtigere Dinge zu erledigen: die Erstbesteigung etlicher Siebentausender. "Alles selbst organisiert, alles selbst getragen", sagt Schell. So ging es im Jahr 1966, "man musste ja schließlich auch alle Grundnahrungsmittel mitnehmen", von Graz nach Pakistan – gemeinsam mit seiner Frau Liselott, eine ebenso begeisterte Bergsteigerin wie Schell selbst, und Rainer Göschl. Die Reise führte über viele staubige Straßen in einem VW-Bus in den Hindukusch. Am 6. August standen Schell und seine Frau auf dem über 5285 Meter hohen Chikar Zom, am 10. August gelang Schell mit Göschl die Erstbesteigung des 7017 Meter hohen Akher Chioh.
Hanns Schell wird am 3. Juni 85 und blickt auf ein reiches Leben zurück, das aus vier wichtigen Komponenten besteht: Familie, Bergsteigen, die Firmen Odörfer und Filli sowie seine Leidenschaft als Sammler von Schlüsseln und Schlössern. Es ist ein Mosaik aus vielen Teilen, die ein Ganzes ergeben. "Mit meinem jüngeren Bruder habe ich immer Pläne geschmiedet, mein ganz großer Traum war der Himalaya." Als Schell etwas über 20 Jahre alt war, war es an der Zeit, diese zu verwirklichen: "Mit einer kleinen Gruppe steirischer Freunde und einem Tiroler fuhren wir zum Momhil Sar." Rudolf Pischinger, Horst Schindlbacher, Leo Schlömmer, der als Erster die Matterhorn-Nordwand im Winter durchstieg, und Rudolf Widerhofer waren mit von der Partie. "Meine Freunde mit dem Schiff, ich mit dem Flugzeug", erinnert sich Schell, der kurz nach der Matura schon in der Firma Odörfer, wo sein Vater Geschäftsführer war, arbeitete. Sein Vater konnte seinen Sohn nicht so lange entbehren. Insgesamt konnte Schell fünf Siebentausender erstbesteigen, den Momhil Sar hat seit 1964 auch nie mehr ein anderer Bergsteiger versucht: mit der Erstbesteigung von fünf Siebentausendern gelang ihm auch ein "ewiger" Rekord, kein anderer Mensch hat das geschafft.
Eine extrem dichte Zeit
Die 1960er waren überhaupt eine enorm dichte Zeit für Schell: Seine Kinder Dieter (3. 5. 1963), Christof (19. 9. 1964), Klaus (24. 1. 1966), Bernd (31. 8. 1967), Andrea (5. 7. 1968) und Peter (16. 2. 1970) kamen zur Welt. 1956 trat er in die Firma seines Vaters ein und wenn es die Zeit erlaubte, ging es einmal um die halbe Welt, um fremde Berge zu erobern. "Mir ging es aber nie um Rekorde, daran habe ich nicht gedacht. Ich wollte unberührte Sachen kennenlernen."
Die Firma, zuerst Odörfer, ab 1988 auch Filli Stahl, war immer die wirtschaftliche Basis für Schells Unternehmungen. Die Eisenwarenfirma Odörfer hatte sich auch auf Schließsysteme spezialisiert und so lag es nahe, dass er auf Bazaren in Isfahan und Teheran erste Schlösser und Schlüssel sammelte, die der Grundstock der Schell Collection wurden. Heute beherbergt das Museum auf 2500 Quadratmetern 14.000 Ausstellungsstücke aus Europa, Afrika und Asien. Während im ersten Stockwerk die historische Entwicklung von Schließsystemen im Vordergrund steht, wird im zweiten Stock eine Verbindung zu seiner Firma hergestellt und im dritten Stock der Fokus auf außereuropäische Kulturen und das Bergsteigen gelegt. "Es war ja anfangs nie daran gedacht, das öffentlich zugänglich zu machen." Heute ist das in der Wiener Straße in Graz untergebrachte Museum eine Herzensangelegenheit von Schell. "Zum Leidwesen meiner Frau verbringe ich dort viel Zeit", gesteht er. Auch in der Firma Filli, das Unternehmen erwirtschaftet heute über 300 Millionen Euro Umsatz, ist Schell als Gründer noch eingebunden. Was ihn aber nicht davon abhielt, die höchsten Berge der Welt zu besteigen: "Ich war gezwungen, ein sehr gutes Firmen-Team aus Sicherheitsgründen aufzubauen. Außerdem habe ich eine sehr große Familie und eine verständnisvolle Frau, die das mitgetragen hat." Wäre er nicht zurückgekommen von seinen Reisen, wäre aber bis zur nächsten Firmengeneration die Kontinuität gegeben gewesen.
Nach den 7000ern zog es Schell an die 8000er: 1975 gemeinsam mit dem späteren Gründer des Mountainfilm Festival Robert Schauer und Herbert Zefferer an den Gasherbrum I (8080 m). Eine Glanzleistung gelang ihm am Nanga Parbat (8125 m). Gemeinsam mit Siegfried Gimpel, Hilmar Sturm und abermals mit dem starken Robert Schauer eröffneten die vier eine neue Route am westlichen Rand der Rupalwand, die heute den Namen "Schell-Route" trägt – eine Ehre, die nur wenigen Alpinisten zuteilwird. Die Erstbesteigung des Nanga Parbat jährt sich heuer am 3. Juli zum 70. Mal.
"Am Gasherbrum haben wir Feuer gefangen. Dann sind wir ohne Bewilligung zum Nanga Parbat und haben frecherweise eine neue Route eröffnet." Den Namen, erklärt Schell, habe er Reinhold Messner zu verdanken, der den Namen geprägt hat. Hanns Schell gelangen Gipfelsiege am Gasherbrum II (8034 m) und an der Shisha Pangma (8027 m). "Ich bin am Makalu glücklich gescheitert, am Lhotse musste ich 150 Meter unter dem Gipfel umdrehen und am Kangchendzönga war das schlechte Wetter schuld", erzählt Schell von einigen seiner Achttausender-Versuche. Auch am Everest war er 1978, jedoch blieb dort keine Zeit mehr für seinen Gipfelversuch. Dass ein Bergsteiger nicht Angst habe, stimme nicht: "Ich hatte immer Angst. Vor Gewittern und vor Steinschlag, das ist unberechenbar."
Zwar sind die hohen Berge Geschichte, doch in seiner Erinnerung sind sie lebendig wie eh und je. Schell ist auch ein unermüdlicher Macher geblieben: Als Firmenkapitän, als Sammler und als 14-facher Opa hat er alle Hände voll zu tun: "Ich bin sehr zufrieden und dankbar."