Wenn heute Abend ZDF-Kultsatiriker Jan Böhmermann und Musiker Olli Schulz einen – vorsichtig ausgedrückt – launigen Alternativkommentar zur Übertragung des Eurovision Song Contest (ESC) abliefern, werden besonders in Graz Erinnerungen wach: Von 1995 bis 2002 haben nämlich Dirk Stermann und Christoph Grissemann den europäischen Popwettkampf für FM4 kommentiert – und mit manch bitterbösem Kommentar die oft bitteren Gesangsdarbietungen noch erträglicher gemacht.
Ganz besonders beliebt war das ironische Songcontest-Schauen damals in Graz, wo die FM4-Version mitten im Stadtpark und unter lautem Gejohle beim Parkhouse auf einer Leinwand gezeigt wurde: Die Übertragungen wurden über die Jahre zur Kultveranstaltung, die mehr als 2000 Besucher anlockte. Schon am Nachmittag besetzten die ersten Fans die besten Plätze, packten die Picknickdecken und oft auch beträchtliche Getränkevorräte aus.
Es gab sogar eine eigene Graz-Jury, die von der Außenstelle Stadtpark zugeschaltet wurde, zuletzt mit dem FM4-Kollegen Hermes (er hat längst mit "Chez Hermes" eine eigene Sendung im Nachtprogramm) als Korrespondenten.
2002 scheiterten Ster- und Grissemann mit ihrem eigenen Lied "Das schönste Ding der Welt" in der Vorausscheidung – in diesem Jahr zogen sie auch den Gesangswettbewerb das letzte Mal für FM4 durch den Kakao. Das Parkhouse hatte sich allerdings schon ein Jahr zuvor vom Spektakel verabschiedet – zu groß war der Publikumsansturm, der Müllberg auch, die Einnahmen dank Selbstversorgung der Besucher zu gering. "Es ist ein Volksfest geworden, das hat nicht mehr zu uns gepasst", erklärt Parkhouse-Chef Martin Aichmayer rückblickend.
Für ihn bedeutete die Songcontest-Ära mit Stermann und Grissemann nicht nur den Durchbruch für die beiden ORF-Comedy-Stars, lange vor "Willkommen Österreich". Auch der Stadtpark hätte sich damit langsam für Veranstaltungen, aber auch für die Menschen geöffnet – "davor wurde man von der Wiese verjagt, wenn man abseits der Wege gegangen ist", so Aichmayer.
Noch um 2010 wurde das ESC-Finale in einigen Grazer Lokalen live gezeigt, davon ist mittlerweile keine Rede mehr. Ob die neue Kommentierung durch Böhmermann und Schulz der Sache neuen Aufschwung geben könnte? "Wir haben tatsächlich schon über eine neue Übertragung nachgedacht", sagt Aichmayer. Angesichts der Wetterprognosen wäre die Idee ohnehin keine so gute gewesen – aber falls sich das neue Songcontest-Duo im nächsten Jahr wieder die Ehre geben würde – dann werden vielleicht tatsächlich wieder live im Stadtpark "douze points" vergeben. Mitten im Gejohle.
Napalm Records: Zwei Public Viewings für deutschen Beitrag
Zwei Public Viewings in der Steiermark gibt es heute Abend: Da die deutschen Kandidaten Lord of the Lost ihre Musik beim steirischen Metal-Label Napalm Records veröffentlichen, kann man ihnen auch zwei Mal live die Daumen drücken – in Eisenerz und in Fehring, beim Austrovinyl-Werk. Welcher Kommentar hier gezeigt wird, ist nicht bekannt.