Der Semriacher Kesselfall ist heuer wieder in die Saison gestartet. Die Wege sind gut passierbar, die Stege erneuert. Vor zwei Jahren im Februar sah das anders aus. Der Landwirt Peter Rauch aus Semriach half, die Klamm von Baumstämmen und Geäst zu befreien. Eine gefährliche Arbeit. Es war klirrend kalt. Die Felsen rutschig. Und plötzlich reißt seine Erinnerung ab. "Im nächsten Moment schau' ich aus dem Fenster und denk mir, sind die verrückt? Wieso mähen die den Rasen mitten im Winter?" Der 58-Jährige ist so verblüfft, dass es einige Zeit dauerte, bis er realisiert: Er ist soeben aus dem Koma erwacht. Drei Monate später.
Sandwirt und Kesselfall-Betreiber Gerald Rath kann sich noch genau an den Moment erinnern, als sich ihr aller Leben veränderte. "Der Peter ist ein alter Freund von mir. Plötzlich saust er an mir vorbei. 40 Meter über die Böschung, dann 60 Meter im freien Fall direkt ins Bachbett." Der Unfall sitzt ihm immer noch in den Knochen. "In hundert Fällen überlebt das einer." Der das sagt, ist Peter Rauch selber. "Ich hab' angeblich noch probiert herauszukrabbeln aus dem Bachbett. Ein Kamerad musste einen Baum umschneiden, damit der Hubschrauber mich bergen konnte. Wenn der falsch umgefallen wäre, hätte es ihn selber erwischt."
Später im LKH Graz dann ein wochenlanges Drama. "Ich lag in der Station, in der meine eigene Tochter Katharina arbeitet. Sie hat um mein Bein gekämpft, das sie mir abnehmen wollten. Das vergesse ich ihr nie." Nach zwei Monaten wurde Rauch ins LKH Süd verlegt. Da hatte er schon mehrere Kopf-Operationen hinter sich. Jetzt, wieder bei Bewusstsein, kämpfte er sich zurück. Monatelange. Jeden Schritt, jede Bewegung hatte er sich mühsam erkämpft. Es ging ja auch um seine Familie: "Ein Dreivierteljahr war meine Frau alleine im Betrieb. Dass sie das geschafft hat, ist einem Freund von mir zu verdanken, dem Johann Glaser. Er kam vom ersten Tag meines Unfalls tagtäglich an den Hof, um die schweren Arbeiten zu verrichten."
Peter Rauch hat seine Lehren gezogen. "Holzarbeiten mache ich keine mehr. Gestern hab ich aber den Efeu von der Hauswand geschnitten, eine Ruhe geben, kann ich ja auch nicht." Heute blickt er nach vorne. "Ich will einen schönen Lebensabend und tue alles dafür." Und er hat es fast geschafft ("Viel fehlt nimmer"). Gerald Raths Bruder, Johann Rath, hat dem Landwirt zu seinem zweiten Geburtstag, ein Marterl gebaut. Es wird demnächst eingeweiht und begrüßt die Besucher des Kesselfalls. Es soll sie demütig machen. Und an ein kleines Wunder nach einem 100-Meter-Sturz erinnern.