Wenn der Gedichtband eines in Österreich lebenden Autors "Kasala für meinen Kaku" heißt, gilt es einige Feststellungen zu treffen: Fiston Mwanza Mujila wurde 1981 in Lubumbashi (Kongo) geboren und lebt seit 2009 in Graz. Der Titel verwendet zwei Begriffe der Bantusprache Tschiluba: Kasala bedeutet Anrufung, Beschwörung oder Lobpreisung, Kaku bezeichnet einen Großelternteil, bezieht sich in diesem Fall aber auf die Urgroßmutter des Autors. Die er jedoch als Mann anruft...
Dass Fiston Mwanza Mujila mit Versatzstücken seiner Kindheit spielt, eigene Eindrücke und Überlieferungen mischt und sich in der poetischen Verarbeitung des Materials alle Freiheiten nimmt, ist seiner Literatur von Anfang an eingeschrieben. Mit seinem Roman "Tram 83" legte er 2016 ein fulminantes Debüt hin und ist seither eine fixe Größe nicht nur des heimischen Literaturbetriebs, wo er sich an der Universität Graz und am Forum Stadtpark intensiv um mehr Aufmerksamkeit für Dichterinnen und Dichtern mit schwarzen Wurzeln kümmert (etwa mit der Anthologie "Kontinentaldrift. Das Schwarze Europa").
"Schreiben gelernt habe ich im Kongo, aber Schriftsteller bin ich in Österreich geworden", erzählte der Autor im Frühjahr, als sein zunächst auf Französisch erschienener zweiter Roman "Tanz der Teufel" auf deutsch erschien, im Interview mit der APA. Er habe eine mehrfache Identität entwickelt, schon die Tatsache, dass er als Kind Französisch, die Sprache der Kolonialisten und der Aufstiegsmöglichkeiten gleichermaßen, gelernt hat, sei zwiespältig gewesen. "Mein Exil hat begonnen, als ich Französisch zu sprechen begann." Seine Literatursprache ist bis heute das Französische - und deswegen hat der Klagenfurter Ritter Verlag "Kasala für meinen Kaku" auch als zweisprachige Ausgabe herausgebracht, das im Vorjahr erschienene Original ebenso inkludierend wie die von Elisabeth Müller vorgenommene Übertragung ins Deutsche und ein von Antoine Wauters dazu geführtes, überaus informatives Interview mit dem Autor.
Denn ohne Zusatzinformationen über die politischen und kulturhistorischen Hintergründe vermitteln sich zwar Stimmung, Rhythmus und Musikalität - alles Dinge, die auch seine Prosa auszeichnen -, sind aber manchmal nur schwer in ihren Bezügen aufzulösen. Anderes freilich erschließt sich unmittelbar: die starke Präsenz Lumumbas, des 1961 ermordeten ersten Premierministers des unabhängigen Kongo, ebenso wie die Zerrissenheit in der Diaspora zwischen Sprachen, Traditionen und Erinnerungen.
"ich habe drei Haustiere", heißt es in dem Zweizeiler "Meine Geliebten", "den Sambesi, die Donau, den Rio Zaire". Und andernorts: "ich habe Lust ein Gedicht zu schreiben / genauso wie ich gerne mein Gesicht auswechseln würde". Fiston Mwanza Mujila ruft seine Ahnen an, gibt uns Tschiluba-Stunden und macht aus Minnesang "Minengesang". Seine Geburtsstadt Lubumbashi ist Zentrum einer Bergbauregion, in der Rohstoffreichtum, Glücksrittertum, Gewalt und Ausbeutung eine unheilvolle Mischung eingegangen sind. Immer, wenn er nach Lubumbashi zurückkehre, merke er, dass er dort zum Ausländer, zum Rückkehrer, zum Hybrid geworden sei, "auch wenn mir das niemand sagt", berichtet der Autor. "Es gibt kein glückliches Exil. Das beutet, dass dein Weggang eine Entscheidung ist. Deshalb ist sie aber nicht zwangsläufig ein Fluch - tshishotu. Ich für meinen Teil, nehme mein Schicksal an. Ich hätte nicht dieselben Bücher geschrieben, wenn ich im Kongo leben würde."