Angeblich treibt der Schloßberggeist in den Stollen sein Unwesen. Geisterjäger hätten das nach einer tagelangen Jagd bestätigt, doch Valentin Cee kann mit dem Spuk gut leben. Die schwarze Barbara, Beschützerin der Bergleute, wacht nicht nur über das "Restrisiko im Schloßberg", sondern auch über den Geist. Einst hielt die rund 40 Zentimeter große Heiligenfigur ihr schützendes Grubenlicht im Ruhrgebiet über die Kumpel einer Kohle-Zeche. Via Ebay kam sie nach Graz. Im Schloßberg findet man sie dort, wo einst die Büste von Adolf Hitler stand: Im ehemaligen Kommandoraum des sieben Kilometer langen Stollensystems, das 1942–1943 als Luftschutzbunker in den Dolomitfelsen gesprengt wurde. 

Video: Lokomotiven im Grazer Schloßberg

Valentin Cee ist einer von drei Mitgliedern des "Fördervereins Montan- und Werksbahnmuseum", der in einem 2,5 Kilometer langen Teil der Schloßberg-Stollen wahre Schätze des Bergbaus bunkert. Die letzte betriebsbereite Benzol-Lok der Welt etwa. Baujahr 1918, war sie in einem Kohlebergwerk in Ilz im Einsatz. Oder die Druckluft-Lok: Sie sieht aus, als hätte sie Torpedos geladen, doch die Behälter, von denen die gelbe Farbe schon großteils abblättert, speichern Pressluft, mit der die Lokomotive betrieben wird. Eine weitere Rarität: Die längste je gebaute Akku-Lok der Welt. Sie stammt aus der DDR, wo nach der Wende alles zum Schrottpreis verkauft wurde. Heute sei sie Tausende Euro wert, erklärt Cee. Rund 100 Lokomotiven und Hunderte Waggons hat der Verein im Laufe der Zeit in den Grazer Hausberg gekarrt. Im unterirdischen Reich der Eisenbahnfreunde parken sie in Stollen und Nebenstollen. "Es ist wohl der größte Hobbykeller der Welt", ist Cee überzeugt. Das schnellste Gefährt im Berg muss jedoch mit Körperkraft betrieben werden: Es ist ein grünes Schienenfahrrad. 

Vereinsmitglied Valentin Cee in der Werkstatt. Hier restauriert der Elektrotechniker alte Lokomotiven
Vereinsmitglied Valentin Cee in der Werkstatt. Hier restauriert der Elektrotechniker alte Lokomotiven © Edler-Retter

Wo es nie Tag und nie Nacht ist

Die Eisenbahn ist ein Hobby, das den 40-Jährigen seit seiner Kindheit begleitet. Mit Helm und Stirnlampe schreitet er durch die Stollen. Außer den am sandigen Boden leise knirschenden Schuhen ist es totenstill. Gelbe und grüne Patina blitzt von den Steinwänden, an vielen Stellen sind sie mit Spritzbeton verkleidet. Ein Kabelbündel leitet Strom von Lampe zu Lampe. Klaustrophobie ist in den Tunneln fehl am Platz. "Als Kind wurde ich mit dem Eisenbahnvirus infiziert. Diese Faszination hat mich nie wieder losgelassen", erzählt der selbständige Elektrotechniker, der ein Ingenieurbüro für Mechatronik betreibt. Zu Hause auf einem Bauernhof, rattert auch dort eine Miniatur-Eisenbahn rund um das Gehöft. Den gebürtigen Salzburger verschlug es beruflich nach Graz. Hier stolperte er vor fünf Jahren über den Verein im Schloßberg und war sofort Feuer und Flamme für das unterirdische Eisenbahn-Paradies. "Ich investiere nun rund 20 Stunden pro Woche in den Verein, verbringe also viel Zeit untertags", sagt Cee. Hier hätte es immer 9–10 Grad Celsius, hohe Luftfeuchtigkeit, es sei nie Tag und nie Nacht, die Zeit bleibe stehen, so Cee. "Bleibt man länger im Berg, dann verzerrt sich die Zeitwahrnehmung", sagt er. 

24 Ein- und Ausgänge führen in den Berg

Der Eingang zur Unterwelt ist in der Weldenstraße, etwas oberhalb der Wickenburggasse. Mit dem "Zweihäusigen Metallist", auch ein Relikt aus einer DDR-Grube, geht es auf Schienen bis zum Kommandoraum im Inneren des Berges. Zahlreiche Abzweigungen lassen jede Orientierung verschwinden. Vor der Figur der Heiligen Barbara gibt der Hobbyeisenbahner eine kurze Geschichte-Lektion: 1943–1944 wurden die Stollen in den Schloßberg gesprengt. Sie dienten im Zweiten Weltkrieg als Luftschutzbunker für 40.000 Menschen, die über 24 Ein- und Ausgänge Zuflucht fanden. "Das war bestens organisiert", erzählt Cee. "Jeder hatte seinen angestammten Platz." Ein Lüftungssystem sei damals nicht installiert worden, einzig der Durchzug zwischen den Öffnungen sorge auch heute noch für Frischluft.

Das Ziel: Die Eröffnung eines Museums

1983 begann Vereinsgründer Günther Hofmann damit, die Stollen für seine Zwecke zu nutzen. Das Ziel: Die Eröffnung eines Museums. Um die Jahrtausendwende war dieser Plan tatsächlich zum Greifen nah. Doch dann kam das Unglück von Kaprun, wo bei einem Feuer im Tunnel der Gletscherbahn 155 Menschen ihr Leben ließen. Die Sicherheitsbestimmungen für Stollen wurden danach verschärft. Für den kleinen Verein sei das finanziell nicht stemmbar. "Wir erhalten keine Subventionen von Stadt, Land oder Bund. Tausende Euro pro Jahr werden nur von uns investiert. Auch Spenden gibt es kaum", erzählt Valentin Cee. 

Betriebsbesichtigungen sind möglich

Interessierte können die Schätze des Bergbaus dennoch besuchen. Im Rahmen von Betriebsbesichtigungen darf der Verein Gäste durch den Schloßberg führen. Auf dieser Webseite kann man sich anmelden. Mitzubringen wären gutes Schuhwerk, warme Kleidung, ein wenig Abenteuerlust und keine Angst vor dem Schloßberggeist.