Eigentlich dreht sich alles um einen Bagatellebetrag von 175,98 Euro. Dieses Geld – stünde laut steirischer Arbeiterkammer einem 22-jährigen Steirer zu, nachdem er an eineinhalb "Schnuppertagen" bei einem Grazer Unternehmen den Beruf des Goldschmiedes kennenlernen konnte. Hinzu kommen freilich noch Zinsen in der Höhe von 2,31 Euro sowie die Kosten für den Zahlungsbefehl, den die AK dem Goldschmiede-Betrieb übermittelt hat in der Höhe von 330 Euro. All das ist nunmehr auch beim Landesgericht für Zivilrechtssachen eingeklagt.

Der Anwalt des Unternehmers, Franz Unterasinger, kann nur den Kopf darüber schütteln, wie "überschießend die Arbeiterkammer hier vorgeht". Es habe zwischen dem Betrieb und dem Schnupperpraktikanten extra eine Vereinbarung darüber gegeben, dass dieses nur zur Berufsinformation diene, es an keine Arbeitszeiten oder Arbeitspflichten gebunden sei, daher kein Arbeitsverhältnis begründet werde und folglich auch keine Anmeldung bei einer Unfall- oder Krankenversicherung vorgenommen werde.

Das wäre das Ende der Schnupperpraktika

"Es geht uns nicht um die Höhe der eingeforderten Summe, hier geht es um mehr", sagt Unterasinger: "Wer wird denn noch junge Leute zum Schnupperpraktikum einladen, wenn man dann vor Gericht gezerrt wird." Im Regelfall hätten doch Unternehmer keinen Profit von solchen Praktikanten, sondern vielmehr einen Mehraufwand im Betrieb.

Zum konkreten Fall will Verena Stiboller, Juristin und Referentin für Arbeitsrecht in der Arbeiterkammer, im Detail nichts sagen, weil "das ein laufendes Verfahren ist". Da solche Fälle aber immer wieder bei ihr am Schreibtisch landen, will sie die prinzipielle Problematik aber schon beleuchten: "Ausschlaggebend ist in solchen Fällen nicht, ob es so eine Vereinbarung gibt, die Dienstgeber von allen Verpflichtungen befreien soll. Die Frage ist, ob die Kriterien für die Begründung eines Dienstverhältnisses erfüllt werden und die sind vom Obersten Gerichtshof eindeutig geklärt."

Wann wird ein Dienstverhältnis begründet?

Um welche Kriterien dreht es sich dabei genau? "Hat der Praktikant Arbeitsleistungen erbracht? Hat er dafür Betriebsmittel verwendet, war er weisungsgebunden? War er an Dienstzeiten, einen Dienstort gebunden?" Könne man diese Fragen mit einem klaren Ja beantworten, liege ein Dienstverhältnis vor, brauche es die Anmeldung, gebühre dem Praktikanten das kollektivvertragliche Mindestentgelt samt Urlaubsersatzleistung. Und beim "Schnuppern" dürfe eben nur über die Schulter geschaut, aber keine Arbeitsleistung erbracht werden. Stiboller betont freilich: "Die Klärung dieses Sachverhaltes ist immer eine Einzelfallentscheidung des Gerichts."

Wirtschaftskammer kritisiert die AK scharf

Für den Direktor der steirischen Wirtschaftskammer, Karl-Heinz Dernoscheg, ist die Vorgehensweise der AK jedenfalls höchst bedenklich: „Schnupperpraktika sind ein bewährtes Instrument um einen Beruf unter realen Bedingungen kennenzulernen. Dabei profitieren die Unternehmen nicht im Sinn einer zusätzlichen Arbeitskraft, im Gegenteil: Ein solches Praktikum macht Arbeit.“ Diese Leistung von Unternehmern könnte künftig stark eingeschränkt werden, „sollten Fälle wie der vorliegende
Prozess Schule machen“.

Die Generation Praktikum soll es nicht gratis geben

Hinter diesem Fall steht freilich noch mehr als nur ein Schnupperpraktikum, sagt die AK-Juristin. Bekanntlich gab es in den letzten Jahren die "Generation Praktikum", die bei Unternehmen vielfach auch monatelang für ein Taschengeld oder gratis arbeitete. Vielfach geschah dies in der Hoffnung, dann einen begehrten Job zu bekommen. Doch unterm Strich ist klar: "Treffen die oben genannten Kriterien zu, handelt es sich um ein Dienstverhältnis." Dann könnten die Praktikanten auch im Nachhinein ihr Gehalt geltend machen und notfalls einklagen.