Henriette Klugmann war gerade im ersten Jahrgang, als man sie im April 1938 aus der Schule warf. 1939 flüchtete die Familie in die Heimatstadt des Vaters, nach Sniatyn, in die heutige Ukraine. Dort wurden Henriette und ihre Mutter 1942 von der SS ermordet. Helene Mandel wurde im März 1938, noch vor dem „Anschluss“, von der Schule abgemeldet, das Jahr durfte sie nicht mehr abschließen. Ihr gelang die Flucht nach Palästina. Janos Vajda war 1938 im Abiturientenkurs der damaligen Kaufmännischen Wirtschaftsschule für Knaben, auch er durfte diesen nicht fertigmachen. Im November 1944 wurde er in das bayrische KZ-Außenlager Mühldorfer Hart deportiert, wo er 1945 verstarb – an „Herzschwäche“.

19 Schülerinnen und Schüler jüdischen Glaubens, 19 Schicksale – und 19 Stolpersteine, die nun vor dem Eingang der HAK Grazbachgasse an jene jungen Menschen erinnern, die hier vor mehr als 80 Jahren die Schulbank drückten. Es waren die Schülerinnen und Schüler der Jetztzeit, die ihre Schicksale recherchiert haben.

Mit Stolpersteinen erinnert in Graz seit 2013 der Verein für Gedenkkultur um Obfrau Daniela Grabe an Holocaust-Opfer. 269 der goldenen „Steine“ wurden in Graz seither an 99 Orten verlegt. Die HAK Grazbachgasse ist nach dem Oeverseegymnasium (2017) die zweite Grazer Schule, die ein derartiges Erinnerungsprojekt durchführt – hier war es die jetzige 5A-Klasse im vergangenen Schuljahr im Fach „Politische Bildung und Zeitgeschichte“ mit Lehrer Michael Luger: Man wühlte in Archiven, las alte Klassenbücher und fand so heraus, was mit den jüdischen Schülerinnen und Schülern passiert ist. Teilweise verlieren sich die Spuren auch.

„Wir wurden vom Verein für Gedenkkultur super unterstützt und haben unter anderem die Klassenbücher bekommen, da konnten wie viel herausfinden“, erzählt Schülerin Verena Pichler. Die Schicksale haben die Klasse tief bewegt, das Projekt hallt nach, wie ihr Klassenkollege Lukas Pötz schildert: „Man hört so viel über den Holocaust im Geschichte-Unterricht, aber das sind Schüler in unserem Alter gewesen, und die haben jetzt einen Namen bekommen. Wenn man einen persönlichen Bezug hat, sich hineinversetzen kann – das macht im Kopf etwas ganz anderes.“

Projekt wird noch in den Klassen fortgesetzt

Geschichtelehrer Luger ist begeistert über das Engagement: „Sie waren mit ungeheurem Eifer bei der Sache, sogar in ihrer Freizeit.“ Zum Abschluss wurden gestern die Stolpersteine vor der Schule verlegt, bei einem Festakt lasen die Schülerinnen und Schüler die Geschichten vor, die sie recherchiert hatten.

Bis Jahresende werden die Biografien in jeder Schulklasse einmal vorgelesen, sagt Direktorin Evelyn Pienegger – für die das Projekt gerade in einer Handelsakademie, in der sich vieles um Zahlen und Bilanzen dreht, etwas ganz Besonderes war: „Denn jetzt hat Geschichte für uns ein Gesicht bekommen.“