"Von Lkw überrollt." So titelt die Polizei eine Aussendung von Mitte Juni. Ein Lkw-Fahrer hatte bei der Kreuzung Kärntner Straße/Wetzelsdorfer Straße beim Rechtsabbiegen eine Radfahrerin übersehen und zu Sturz gebracht. Ihr Glück im Unglück: Sie kam unter dem Sattelschlepper zu liegen und konnte sich so wegrollen, dass sie nicht von den Reifen überfahren wurde. Die Frau wurde nur leicht verletzt.
Selbe Kreuzung, einen Monat später: Wieder übersieht ein Lkw-Lenker beim Rechtsabbiegen einen anderen Verkehrsteilnehmer, diesmal eine Fußgängerin. Die 62-Jährige hatte weniger Glück: Sie wurde am Zebrastreifen gehend überfahren und lebensgefährlich verletzt. Sie liegt heute noch auf der Intensivstation im UKH Graz, ist aber zumindest stabil.
Unauffällige Kreuzung, auseinanderklaffende Schere
Es sind zwei Beispiele aus der jüngsten Vergangenheit, die zeigen: Ungeschützte Verkehrsteilnehmer leben auf Grazer Straßen oft gefährlich. "Diese konkrete Kreuzung war in den vergangenen Jahren zwar eigentlich unauffällig", weiß Peter Felber vom Kuratorium für Verkehrssicherheit. "Platz 35 in der Liste der gefährlichsten Kreuzungen", ergänzt Straßenamtschef Thomas Fischer.
Aber was den Fachleuten insgesamt auffällt: "Die Kluft zwischen den geschützten und ungeschützten Verkehrsteilnehmern geht immer weiter auseinander", so Felber.
Zahl der Unfälle mit Fußgänger, Rad- und Mopedfahrern steigt
Zwar lesen sich die Grazer Zahlen zur Unfallstatistik positiv, weil sie insgesamt zurückgehen. Aber wenn man diese beide Verkehrsgruppen gegenüberstellt, zeigt sich ein deutliches Ungleichgewicht. So nahmen die Unfälle mit Pkw- und Lkw-Beteiligung von 2018 auf 2021 deutlich ab, von 944 auf 736. Im selben Zeitraum stiegen aber Unfälle mit Fußgänger-, Rad- und Moped-Beteiligung von 954 auf 987.
"Das ist nicht gut", sagt Felber zu seinen Zahlen. "Wenn wir von Verkehrssicherheit in der Stadt reden, dann müssen wir den Fokus auf der Gruppe der Ungeschützten legen."
Rad-Offensive und Fußgänger:innenbeauftragte sollen Abhilfe schaffen
Genau das hat Vizebürgermeisterin Judith Schwentner (Grüne) vor. Mit der Rad-Offensive, die in den meisten Fällen auch Fußgängern mehr Platz einräumen soll, werde für eine bessere Infrastruktur gesorgt – und damit auch für mehr Sicherheit. Und mit der vor Kurzem vorgestellten Fußgängerbeauftragten werde ein klares Zeichen gesetzt. Sie soll "die Basis für ein durchgängiges, barrierefreies Fußwegenetz, für sichere Schulwege legen", so Schwentner.
Die Kreuzung Kärntner Straße/Wetzelsdorfer Straße wird die Stadt jetzt jedenfalls noch einmal unter die Lupe nehmen. "2008 wurde sie schon einmal umgebaut, damals gab es einen tödlichen Unfall", so Straßenamtschef Fischer. "Jetzt müssen wir auf den genauen Unfallhergang seitens der Polizei warten und schauen, was man verbessern kann."