Während auf der Leinwand die Turbinen Feuer spucken, lassen die Lautsprecherboxen im Dieselkino Fohnsdorf den Saal 1 beben. Und die Besucher in den Sitzen beeindruckt zurück. Also halt alle bis auf einen: Der junge Mann hat die Beine übereinandergeschlagen und schmunzelt zufrieden. Kein Wunder, ist doch Patrick Wöss nur heute Zuseher – ansonsten ist der 30-Jährige mittendrin bei waghalsigen Flugmanövern, denen die Verantwortung dahinter aber Bodenhaftung verleiht. Als einer von nur 16 Eurofighter-Piloten in Österreich.
Er ist derzeit also zurück in den Kinos: Filmstar Tom Cruise als Kampfpilot Pete Mitchell, Codename "Maverick", im zweiten Teil von "Top Gun". Sie wissen schon: F-18-Jets, Adrenalin, aber auch Lederjacke, Sonnenbrille wie Motorrad. Und dieser Soundtrack, den alle kennen: zwei ruhige Glockenschläge … Bamm … Bamm … und dann die schrille E-Gitarre: da-da-daaa, dadadadadadaaa …
Fragt sich bloß: Sind die gezeigten Flugszenen auch nur ansatzweise realistisch? Um das herauszufinden, laden wir Patrick Wöss ins Kino ein. Nach der raschen Freigabe durch das Ministerium müssen wir den 30-jährigen Eurofighter-Piloten nicht großartig überreden: "Weil der Streifen unser Lebensgefühl widerspiegelt." Und wenn man ihn während der Vorstellung aus den Augenwinkeln betrachtet, taugt ihm das: Wöss schaut konzentriert zu, schmunzelt oder nickt anerkennend. Und als Tom Cruise auf der Leinwand von 9-G-Kräften spricht, die auf Piloten einwirken und diesen in Richtung Bewusstlosigkeit treiben, flüstert Wöss: "Genau diese 9 G gibt auch der Eurofighter her!"
Ja, der Film sei bei allen künstlerischen Freiheiten sehr realistisch, bestätigt Wöss 131 Minuten später anerkennend – bei einem disziplinierten Glas Soda-Zitron. Die Befehle, die Codes, die Manöver, die im Detail in der Realität anders aussehen: "Wir gehen bei Übungsluftkämpfen nie so tief runter, maximal auf 10.000 Fuß oder umgerechnet 3300 Meter. Und kommen einander nie näher als 350 Meter." Auch erste Kritik im Internet, wonach echte Piloten nie ein durchsichtiges Helmvisier wie im Film tragen würden, relativiert Wöss: "Wir haben durchsichtige wie getönte Visiere. Je nach Lichtverhältnissen und ob wir am Tag oder in der Nacht fliegen."
Übereinstimmend heißt es hingegen in Medienberichten, dass Cruise und seine Filmkollegen tatsächlich selbst geflogen sind – halt auf Rücksitzen, aber immerhin. Das vermutet auch Wöss: "Die Tragflächen beginnen knapp hinter den Schauspielern, das wäre bei Vordersitzen nicht so."
Der 30-Jährige, am Fliegerhorst Hinterstoisser in Zeltweg stationiert, trägt den Codenamen "Beauty". Nein, nicht, weil er ein Pferdenarr ist. Sondern eher, weil er feschakmäßig mit Cruise mithalten kann. "Aber den Codenamen verpassen dir die Kollegen, da hast du wenig Mitspracherecht", lacht er. Aber Beauty hin, Muskelpakete her – Wöss ist sehr reflektiert, analytisch. Vielleicht bringt das ein Beruf mit sich, der den Begriff "Abfangjäger" beinhaltet und auf der Außenhaut des fliegenden Arbeitsplatzes die Aufschrift "Gefahr! Sitz und Dach explosiv" bereithält; der einen bei Trainingsflügen in Allensteig aus der Luft schießen und alle zwei Wochen ins Ungewisse aufsteigen lässt, weil sich der Pilot eines Flugzeuges nicht für den österreichischen Luftraum angemeldet hat. "Das klärt sich aber immer rasch auf."
Wöss ruht in sich, er vertraut seinem Arbeitsgerät ("Der Eurofighter ist wahnsinnig zuverlässig") und dem Zusammenhalt in der Truppe. "Auch das deckt sich mit dem Film." Beruhigt das auch seine Mama? "Die macht sich auch Sorgen, wenn ich bergsteigen gehe." Und seine Freundin? "Als Polizistin hat sie den gefährlicheren Job."
Momentan tobt in der Ukraine ein Krieg. Abgesehen davon, dass somit der (wegen der Pandemie verschobene) Start von "Top Gun" sehr unglücklich ist – hat sich für Wöss und seine Kollegen dadurch etwas verändert? Auch in der Wahrnehmung der Bevölkerung? "Bloß unsere Einsatzzeiten wurden verlängert. Und unser Ansehen in der Bevölkerung war ehrlicherweise immer schon hoch." 10.000 Fuß und mehr.