"Genau hier ist der erste Mann aus den Büschen gesprungen und hat mich angefasst. Da drüben hat der zweite mich am Handgelenk gepackt, immer fester, dann mit der anderen Hand bei der Schulter gehalten. Er wollte mich in die Büsche ziehen." Nein, die Grazer Studentin hat das Erlebte noch nicht verdaut. In der Nacht auf Sonntag, gegen 3.30 Uhr in der Früh belästigten sie zwei Männer, die in gebrochenem Deutsch auf sie einredeten.
Radlerin ging dazwischen: "Was ist euer Problem, verpisst euch!"
"Ich wäre hier in der Wilhelm-Fischer-Allee neben dem Stadtpark fast vergewaltigt worden", sagt sie ernst. Wie berichtet, kam zum Glück eine andere Studentin mit dem Rad vorbei: "Ich habe gerufen, hey, kannst du mir helfen?" Die 20-Jährige sprang vom Rad, schrie, "was ist euer Problem, verpisst euch!" Dass die Zeugin dazwischen ging, reichte aus, dass die Männer von der Frau abließen.
Die jungen Frauen riefen erst nicht die Polizei
Gemeinsam gingen die Studentinnen davon: "Wir haben gar nicht daran gedacht, die Polizei zu rufen." Auch am nächsten Tag will die 22-Jährige eigentlich keine Anzeige erstatten: "Ich dachte ja immer, mir passiert so etwas sicher nicht. Ich war irgendwie persönlich verletzt und unsicher, wie ernst die Polizei mich nimmt. Ich hätte es nicht ertragen, wenn man mir das nicht geglaubt hätte." Nach einem Telefonat mit ihrer Mutter war aber am Sonntag klar, dass sie zur Polizei geht: "Und die haben mich sehr ernst genommen." Ihre Jacke sei in der Inspektion geblieben, um DNA-Spuren zu sichern.
Tipps der Polizei
"Plötzlich fühlt man sich als Frau sehr schwach"
Was die selbstbewusste Frau bei dem Übergriff überrascht hat: "Wenn ein Mann dich so bei den Händen festhält, fühlst du dich als Frau sehr schwach. Da hat man nicht das Gefühl, dass man sich wehren kann. Vor allem, wenn noch ein zweiter dabei ist." Sie habe schon Selbstverteidigungskurse absolviert, aber in dieser Situation galt es dann auch abzuwägen, was passiert, wenn sie zugeschlagen hätte. Eskaliert die Lage, kommt es zu einer gewalttätigen Reaktion oder schlägt sie die Männer in die Flucht: "Wäre niemand gekommen, wäre das meine letzte Option gewesen. Deshalb ist Zivilcourage so wichtig", dankt sie der 20-Jährigen, die eingeschritten ist: "Fahrt also nicht vorbei, wenn jemand um Hilfe ruft!"
"Ich lasse mir das Recht nicht nehmen, alleine heimzugehen"
Die Studentin hat sich entschlossen, offen über das Erlebte zu reden, damit "das nicht unter den Teppich gekehrt wird". Zum Schock kommt der Ärger: "Das kann doch nicht wahr sein: Wir Frauen haben das Recht, alleine heimzugehen." Davon will sie auch weiter Gebrauch machen: "Aber ich werde aufmerksamer sein, rascher reagieren und auch keine Kopfhörer mehr tragen, weil einem das einfach ein Sinnesorgan nimmt." Und sie werde Freunden sagen, wann sie heimgeht und dass sie sich meldet, wenn sie sicher angekommen ist – oder gleich am Heimweg mit Freunden telefonieren.
Bernd Hecke