Lange erwartet, aber noch nicht ganz fertig, haben die Verkehrsstadträtin Elke Kahr (KPÖ) und die städtische Verkehrsplanung Graz am heutigen Mittwoch einen Zwischenbericht der großen Öffi-Studie vorgestellt, die im Vorjahr in Auftrag gegeben worden ist. Das Fazit: Die Tram habe als System den Stresstest für die Zukunft bestanden und noch viel Luft nach oben, auch die S-Bahn könnte den grenzüberschreitenden Verkehr noch viel besser bedienen.
Die Varianten für die S-Bahn-Offensive reichen von einer Verdichtung des innerstädtischen Angebots um 11 Haltestellen bis zu zwei Szenarien für eine Tunnelführungen der Schiene vom Ostbahnhof zum Hauptbahnhof, die auch das Zentrum - oder sogar Uni, LKH und Wirtschaftskammer anschließen.
Die Tram-Perspektive
Das Fazit der Studie von Peter König (Prime Mobility) und Willi Hüsler (IBV Zürich): Setzt die Stadt das Ausbauprogramm 2024+ um - dazu zählen die Linien Südwest (Webling) und Nordwest (Gösting) unter Anbindung von Gries- und Lendplatz, sowie die Linie 2 vom Hauptbahnhof über Geidorf und Uni zum LKH - gibt es erhebliches Potenzial. Schafft die Stadt zusätzlich noch längere Garnituren an (36 statt 27 Metern) läge das Potenzial für die Kapazitätserhöhung sogar bei 100 Prozent. Die Innenstadtentflechtung und die Linien zur Smart City und Reininghaus sind ja bis 2024 schon realisiert. Die Tram könne auch in Zukunft die wachsende Stadt großflächig erschließen und für rund 190.000 Einwohner eine Haltestelle im 300-Meter-Umkreis bieten.
Die S-Bahn-Pläne
Die zweite Chance für Graz, die Hüsler herausstreicht: Die S-Bahn könnte bei der Einbindung des Umlandes Großes leisten. Das Beispiel Zürich, wo die S-Bahn forciert und über zwei städtische Tunnel stärker ans Zentrum angebunden und besser mit der Tram verknüpft worden ist, zeigt das Potenzial. Dort hatte die S-Bahn im Jahr 2000 rund 160.000 tägliche Fahrgäste und 2019 bereits 514.000.
Beim Modal-Split, dem Mix der Mobilitätsnutzungen in der Stadt - ist der Anteil der mit den Öffis zurückgelegten Wege von 30 Prozent auf 41 Prozent angestiegen, der Autoanteil ist von 40 auf 25 Prozent gesunken.
Die Defizite der Metro
Die U-Bahn-Pläne haben die Experten nicht bewertet, sich aber natürlich angesehen, sagt Hüsler: "Wir werden das jetzt auch noch genau analysieren." Schon jetzt aber geben ihm gewisse Defizite zu denken: "Die Metro nach diesem Konzept kann Graz niemals so großflächig erschließen, wie die Tram. Da gibt es große Lücken im Stadtgebiet." Der zweite Haken: Für die Haltestellen der Metro ist der Einzugsbereich mit 600 Metern angesetzt, statt den 300 Metern bei der Straßenbahn. "Und bei dieser Distanz verliert man schon sehr viele Nutzer, die diese Distanz nicht gehen können oder wollen", sagt Hüsler.
Alle Detailzahlen und Bewertungen gibt es im Herbst
Die Bewertungen aller Varianten wird das Expertenteam im Spätherbst vorlegen. Für Verkehrsstadträtin Elke Kahr ist klar, dass damit eine politische Mehrheitsfindung für eine große Verkehrslösung noch länger brauchen wird müssen. Sie verhehlt auch nicht, "dass für mich, aber auch für die KPÖ die Straßenbahn und die S-Bahn die Antwort auf die Zukunftsfragen ist und nicht eine U-Bahn."
Grüne und Neos sehen sich bestätigt
Grünen-Klubchef Karl Dreisiebner zieht klare Schlüsse aus der Studie: "Das heute im Ausschuss für Verkehr präsentierte Modell des Schweizer Verkehrsplaners Willi Hüsler bestätigt die Konzepte all jener, die auf den Ausbau der S-Bahn kombiniert mit einem beschleunigten Ausbau des Straßenbahnnetzes setzen." Was die Grünen mit dem S-Bahn-Ring ja tun. “Am City-Tunnel für die S-Bahn führt kein Weg vorbei, möchte man das beste Kosten-Nutzen-Projekt realisieren”, sieht sich auch Neos-Gemeinderätin Sabine Reininghaus durch den Schweizer Verkehrsexperten bestätigt.
Bernd Hecke