Der stürmische Applaus, der am Beginn seinen zielstrebigen Marsch zum Flügel stoppte, schien ihm fast ein wenig lästig zu sein. Die Standing Ovations aber, mit denen ihn das Publikum im Grazer Stephaniensaal am Schluss feierte, rührten ihn offenbar doch. Im Gegensatz zu seinen Bewunderern wusste Alfred Brendel nämlich, dass er eben sein letztes Konzert in jener Stadt gegeben hatte, in der er mit einem Soloabend am 26. April 1948 seine Weltkarriere gestartet hatte, und die ihn gestern mit ihrem Ehrenring auszeichnete.
Das Finale. Das 60-jährige (!) Bühnenjubiläum nimmt er zum Anlass, seine außergewöhnliche Laufbahn zu beenden: "Im Dezember 2008 gebe ich in Wien mein letztes Konzert", verriet der 76-Jährige der Kleinen Zeitung nach seinem Grazer Auftritt, den er auf der Höhe seiner Meisterschaft absolviert hatte.
Ausnahmepianist. 35 Konzerte hat Alfred Brendel seit 1949 für den Musikverein für Steiermark gespielt, der ihn 1990 zu seinem Ehrenmitglied ernannt hat. Sein letztes widmete der Ausnahmepianist seinen musikalischen Hausgöttern und seiner aktuellen Liebe c-moll. Mozarts und Beethovens Klavierkonzerte in dieser Tonart prägen sein Programm für 2008, Haydns und Mozarts Sonaten in c-moll umrahmten jetzt Beethovens vorletzte Sonate und zwei der vier Impromptus D 935 von Schubert, denen jenes in As-Dur als einzige Zugabe folgte.
Tastenphilosoph. Sie alle interpretierte Brendel mit jener nachdenklichen Souveränität, der er das Attribut Tastenphilosoph verdankt. Jedes Detail ausleuchtend, aber stets in den großen Zusammenhang eingebettet. Brendel wahrt immer ein klassisches Ebenmaß, er setzt keine schroffen Akzente, reizt dynamische Kontraste nicht aus, verdeutlicht aber mit erheblicher Agogik die musikalischen Strukturen.
Kunst. Seine Kunst, den Charakter jedes Werkes herauszuarbeiten, ohne ihm etwas überzustülpen, weist ihn einmal mehr als einen der größten lebenden Pianisten aus. Er fördert Haydns Verschmitztheit zu Tage, lässt Beethovens Cantabile mit wunderbarer Innigkeit singen, unterstreicht Mozarts dramatische Energie und spielt Schubert mit fein schattierter Noblesse.
INTERVIEW: ERNST NAREDI-RAINER