„Ja, die SPÖ kann Wahlen gewinnen“, sagt Doris Kampus entschieden. Ein Satz, der angesichts der historischen Niederlage der SPÖ auf Bundesebene aufs erste Hören seltsam klingt, aber er stimmt. Zumindest für Graz: Denn die steirische Landeshauptstadt macht bei Wahlen immer ihr eigenes Ding, so auch diesmal: In Graz liegt die SPÖ mit vorläufig 21,7 Prozent auf Platz eins. Aus Sicht der Grazer SPÖ-Chefin Kampus eine Wiederholungstat, denn schon bei der EU-Wahl lag die SPÖ in der Murstadt voran.
Gut 7000 Stimmen von besonders spät eingelangten Wahlkarten fehlen noch, ansonsten ist alles ausgezählt. Damit könnte sich das Ergebnis an der Spitze noch drehen, denn die ÖVP folgt derzeit mit 21,3 Prozent auf Platz zwei. In absoluten Zahlen trennen die beiden aktuell 563 Stimmen. Also freut sich ÖVP-Chef Kurt Hohensinner, „dass wir beim Kampf um Platz eins dabei sind“. Wenngleich er auch das satte Minus seiner ÖVP von 7,1 Punkten „nicht schönreden will“.
Die FPÖ legt auch in Graz um 8,1 Punkte auf 19,9 Prozent zu, das reicht in der Murmetropole aber nur für Platz drei. „In Schlagweite zum ersten Platz“, jubelt Stadtparteiobmann Axel Kassegger trotzdem. „Wir sind stolz darauf, dass wir zum ausgezeichneten Landes- und Bundesergebnis beitragen konnten.“ Der blaue Finanzskandal spielte bei den Wählerinnen und Wählern demnach keine Rolle.
Grüne verlieren massiv, KPÖ verfehlt Grundmandat
Die großen Verlierer in Graz sind die Grünen. 2019 noch mit 27 Prozent fast auf Platz eins, kommt man nun nur auf 15,5 Prozent. Da hätten einige taktisch gewählt, also seien grüne Stimmen an Andreas Bablers SPÖ gegangen, wird in der Partei gemutmaßt. „Dieses Ergebnis lässt sich nicht so einfach auf die kommunale Ebene übertragen“, sagt Parteichefin Judith Schwentner.
Die Neos sind wie schon 2019 in Graz zweistellig: Philipp Pointner darf sich über ein Plus von 1,1 Punkten auf 12,1 Prozent freuen. Die Bürgermeisterinnenpartei KPÖ folgt mit sechs Prozent nur auf Platz sechs. Elke Kahr ordnet die Zahlen aus ihrer Sicht aber ein: „Mit Abstand das beste Ergebnis, das wir bei einer Nationalratswahl je hatten.“ Tatsächlich hat man sich fast verdreifacht, wenngleich das erträumte Grundmandat in weiter Ferne blieb.
ÖVP sieht Schlappe bei „dominierenden Koalitionsparteien“ - Kahr: „Kühn“
ÖVP-Chef Hohensinner sieht in den Ergebnissen dennoch eine Schlappe für die in Graz „dominierenden Koalitionsparteien. Vor allem für die Kommunisten ist das ein großer Dämpfer.“ Die ÖVP selbst könne hingegen auf ihrem Ergebnis aufbauen, Hohensinner will weiter eine „Verkehrspolitik für alle“ einfordern, die „Vernunft statt Ideologie“ in den Vordergrund stellt. „Und es braucht einen Bildungsschwerpunkt.“
„Kühn“, findet KPÖ-Chefin Kahr diese Hohensinner-Ansage. Die ÖVP verliert sieben Prozentpunkte, während sich die KPÖ verdreifacht – ein schwerer Schlag sehe wohl anders aus.
Die SPÖ, der kleinste Koalitionspartner, feiert das Graz-Ergebnis jedenfalls „als Lichtblick“, so Chefin Kampus. „Ohne übermütig zu werden.“