Nach der Max-Mell-Allee am Rosenhain, der Dr. Karl-Muck-Anlage bei der Oper und der Kernstockgasse ist sie nun die vierte Grazer Straße, die einen neuen Namen erhalten hat. Die Dr.-Hans-Kloepfer-Straße, eine kurze Straße zwischen der Straßganger Straße und der Herbersteinstraße in Eggenberg, heißt seit November Julia-Pongracic-Straße. Das wurde im ersten Grazer Gemeinderat nach der Sommerpause im September beschlossen. Jetzt ist die kurze Straße im Bezirk Eggenberg auch mit neuen Straßenschildern ausgestattet.

Wie insgesamt 20 Straßennamen wurde auch die Dr.-Hans-Kloepfer-Straße durch die Expertenkommission Straßennamen (EKSN) als „sehr problematisch“ eingestuft. Mit der Umbenennung „ehrt die Stadt Graz nicht nur eine wichtige Frau, Juristin und Widerstandskämpferin, sondern setzt ein starkes Zeichen für die Auseinandersetzung mit ihrer Geschichte“, hieß es in einer Aussendung der Stadt anlässlich der Umbenennung.

Vizebürgermeisterin Judith Schwentner, SPÖ-Klubobfrau Daniela Schlüsselberger, KPÖ-Klubobfrau Sahar Mohsenzada mit dem neuen Schild
Vizebürgermeisterin Judith Schwentner, SPÖ-Klubobfrau Daniela Schlüsselberger, KPÖ-Klubobfrau Sahar Mohsenzada mit dem neuen Schild © Stadt Graz/Fischer

Die Wahl fiel wie bei praktisch allen Neu- und Umbenennungen in Graz auf eine Frau. Man will damit den Umstand korrigieren, dass derzeit nur ein verschwindend geringer Anteil der Straßen in Graz nach Frauen benannt ist. „Damit setzen wir ein klares Zeichen für mehr Sichtbarkeit und Wertschätzung von Frauen in unserer Stadtgeschichte“, sagt Vizebürgermeisterin Judith Schwentner (Grüne). Julia Pongracic (1910–1945) war eine Widerstandskämpferin aus Graz. Die studierte Juristin hatte sich der Widerstandsgruppe „Österreichische Freiheitsfront“ angeschlossen, 1945 wurde sie von der Gestapo festgenommen und erschossen. „Die Eggenbergerin Julia Pongracic hat in der Zeit der NS-Barbarei Haltung bewahrt und gegen Unmenschlichkeit und Terror angekämpft. Dafür hat sie mit ihrem Leben bezahlt“, erklärt die frühere KPÖ-Klubobfrau Christine Braunesreuther. Mit der Benennung der Straße würde die Stadt Graz ihr Andenken würdigen. „Ihre Ermordung durch die Gestapo am 4. April 1945 steht auch als Mahnung für uns, dass Demokratie, Freiheit, Toleranz keine selbstverständlichen Werte sind, sondern von uns Tag für Tag aufs Neue bewahrt und verteidigt werden müssen - daran soll auch diese Umbenennung erinnern“, ergänzt SPÖ-Klubobfrau Daniela Schlüsselberger.

Für die Anrainerinnen und Anrainer wird die Umbenennung folgendermaßen ablaufen: Die neue Straßentafel wird von der Stadt angebracht, die Hausnummern bleiben unverändert und neue Hausnummerntafeln werden direkt zugesandt. Die Kosten dafür übernimmt die Stadt Graz.

Warum ist Hans Kloepfer umstritten?

Hans Kloepfer (1867 –1944) war ein Arzt und Schriftsteller, der vor allem durch seine weststeirische Mundartdichtung bekannt wurde und als Dichter noch heute beliebt ist. Ab 1938 war er aber expliziter Parteigänger des Nationalsozialismus, wegen seiner deutschnationalen Einstellung und seiner Sympathie für den Nationalsozialismus gilt er heute als umstritten. Zu Diskussionen ist es in Graz 2022 gekommen, als die Stadtbibliothek Bücher von ihm als belastet aussonderte – sie wurden, mit Hinweiszetteln ergänzt, letztendlich wieder in die Regale gestellt. Zwei Jahre davor war nach einer Schmieraktion die Büste Kloepfers auf dem Grazer Schloßberg entfernt worden – nach offenen Fragen über die Form der Kontextualisierung musste sie bis 2023 auf ihre Rückkehr warten.

FPÖ schäumt: „Vernichtung des kulturellen Erbes der Steiermark“

Für die steirische FPÖ ist die Dr.-Hans-Kloepfer-Straße „das nächste Ziel der Geschichtsauslöschung“. Dass die Sozialdemokratische Partei, Kommunisten und Grüne eine Sozialdemokratin als neue Namensgeberin dieser Straße vorsehen würden, sage bereits genug über die Beweggründe dieser Aktion aus. „Es ist wirklich eine Farce, wie wenig Respekt diese Stadtregierung dem wertvollen kulturellen Erbe der Steiermark entgegenbringt und einem bekannten Heimatdichter seinen Stellenwert aberkennt“, sagt Bernhard Dohr, Stadtparteiobmann-Stellvertreter der FPÖ Graz. Es könne nicht sein, „dass aus der Brille des heutigen Zeitgeistes jeder vernadert wird, der vor mehreren Generationen lebte und nicht die heute vorherrschende linke Weltanschauung vertreten hat.“

* Anmerkung: Diese Geschichte wurde anlässlich des Gemeinderatsbeschlusses schon im September veröffentlicht. Wir haben sie nun nach der Aufstellung der Schilder leicht aktualisiert und mit neuen Bilder neu publiziert.