Kinder fahren auf ihren Fahrrädern die Wege entlang, bringen die Schaukel bis zum Anschlag in Schwingung und schießen sich Frisbees zu. Auf den ersten Blick wirkt alles ganz normal im Grazer Volksgarten. Sieht man sich allerdings etwas genauer um, bemerkt man die Gruppen an jungen Männern, die auf der anderen Seite des Rösselmühlbachs zusammenstehen und ihre Blicke prüfend über das Gelände schweifen lassen. Die immer gleichen Personen drehen ihre Runden. Dass sie Vorbeikommenden am Weg dabei oftmals Drogen anbieten, ist ein offenes Geheimnis.
Abfuhr für Ordnungswächter
Seit Jahren ist die Suchtmittel- und Gewaltproblematik im Volksgarten Grundlage für heftige Debatten. Zuletzt ist die Situation wieder eskaliert: Messerstecherei, Massenschlägereien sowie Hundeattacken beherrschten die Schlagzeilen. Die Politik will gegenhalten: Bürgermeisterin Elke Kahr (KPÖ) schickt ab Juni eine Streife der Ordnungswache in den Park, selbst Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) kam vor Kurzem für eine polizeiliche Schwerpunktaktion extra nach Graz.
Die Anrainer überzeugt das nur bedingt. Denn wohl fühlen sie sich auf den Grünflächen schon lange nicht mehr. „Die Ordnungswache strahlt keine Autorität aus und hat keine Handhabe, das bringt null“, erwartet sich etwa Oliver Hörzer von Kahrs Vorstoß nicht viel.
Er lebt mit seiner Frau und seiner kleinen Tochter direkt neben dem Volksgarten und durchquert diesen mehrmals am Tag. Dass ihm dabei regelmäßig Drogen angeboten werden, ist für ihn an der Tagesordnung. „Es werden Löcher ausgehoben, Mistkübel verrückt und erst letzte Woche habe ich einen Haufen benutzter Spritzen in der Wiese gefunden“, sagt er. Ein Problem, das sich laut Hörzer seit drei bis vier Jahren stetig zuspitzt. Mittlerweile seien rund um die Uhr etwa 100 Dealer unterwegs, schätzt er. „An der Brücke über den Rösselmühlbach stehen regelmäßig Dealer Spalier und man muss sich zwischen ihnen durchschlängeln. Das ist schon für mich als Mann keine angenehme Situation“, meint Hörzer, der mittlerweile aus Verzweiflung eine neue Wohnung sucht.
Park mit zwei Gesichtern
Lisa Freissmuth kommt trotz aller Probleme gerne mit ihrem Sohn Aaron (4) zum Spielplatz – zumindest tagsüber. „Man hat diese klare Trennung und wir gehen einfach nicht auf die andere Seite“, meint sie. Abends meidet sie den Park.
Dass die Teilung nicht immer so klar bleibt, zeigen die Schilderungen von Ariela Alon. Sie blickt von ihrem Balkon direkt auf den Kinderspielplatz und hat bereits mehrmals beobachtet, wie Rauschgifthändler in den Spielhäuschen Drogen verstecken: „Ich komme aus São Paulo, aber ich habe mich noch nirgends so unsicher gefühlt wie im Volksgarten.“
Ohne Pfefferspray traut sie sich gar nicht mehr in den Park. Denn Schlägereien und lautstarke Auseinandersetzungen sind direkt vor ihrer Haustüre an der Tagesordnung. „Ich habe schon mehrmals die Polizei gerufen, als die Beamten gekommen sind, sind die Dealer so ausgerastet, dass wir das Licht in unserer Wohnung ausgeschalten und uns versteckt haben“, erzählt Arlon.
Mehr Polizeipräsenz erwünscht
Für die Anrainer steht daher fest: Sie fühlen sich von der Politik und der Exekutive im Stich gelassen. „Die Polizei müsste zumindest für ein paar Monate rund um die Uhr vor Ort sein, damit die Dealer merken, dass der Platz nicht ihnen gehört“, sagt Arlon. Auch Hörzer erinnert sich, dass die einzige Maßnahme, die bisher Wirkung gezeigt hat, die Schutzzone war. Die steht derzeit aber weder für die Polizei noch für Kahr zur Debatte. Allerdings bräuchte es für Hörzer nicht nur einen besseren Schutz der Besucher, sondern zudem eine Auseinandersetzung mit den jungen Drogenhändlern. „Sie haben keine Kohle und das ist ihre einzige Möglichkeit, sich ein bisschen etwas dazuzuverdienen“, meint er. Man müsse ihnen Alternativen bieten, um das Problem langfristig lösen zu können.
All das wird auch am Mittwoch, zur Sprache kommen. Da lädt Bürgermeisterin Kahr gemeinsam mit dem Bezirksrat zu einem runden Tisch mit Anrainern, um 18.30 Uhr im kleinen Saal der Arbeitkammer.