„Unser Jahresthema ‚Stadt Natur‘ ist heuer ein ziemlicher Spagat, wir erzählen von Natur, können aber aus konservatorischen Gründen nichts Lebendiges ausstellen“, schmunzelt Sybille Dienesch. Eine Ausnahme sind die Kunstinstallation „Waldboden“ gleich beim Eingang und der als Stadtoase gestaltete Hof. In der neuen Ausstellung „Habitat Graz“, die am Mittwochabend eröffnet wird, erzählt man hingegen trandisziplinär, kollaborativ und urbanistisch-künstlerisch vom gemeinsamen menschlichen und nicht-menschlichen Leben in der Stadt, egal ob am Friedhof, im aufgerissenen Asphalt oder entlang der Puchstraße.

Aufgeteilt ist die Ausstellung in acht Räume – die „kartographische Werkstatt“ bietet eine Vielzahl an Karten und einen weichen Stadtteppich, den man in Socken erkunden kann, die „Stadtökologie“ zeigt, wo es grüne Inseln in der Stadt gibt und wie sich Stadtlandschaften im Laufe der Zeit verändern. Zu sehen ist etwa auch ein Video, das nach der „städtischen Zwangsräumung“ in und um die Harrachgasse entstanden ist, bei der mehr als 40 Bäume für das neue „Center of Physics“ weichen mussten. Während die Waldkauze aus den Platanen gerettet und in Nistkästen umgesiedelt wurden, flogen viele Zwergfledermäuse desorientiert umher, 120 davon landeten in einer Wohnung in der Franckstraße.

Die Illustrationen von Andrés Sandoval fungieren als Klammer zwischen den Räumen, in denen man auch viele künstlerische Beiträge findet – neben bekannten Arbeiten wie der „Oasis No. 8“ von Markus Jeschaunig, dem temporären Bananen- und Ananas-Gewächshaus beim Jakominiplatz, Lois Weinbergers „Wild Cage“ im Joanneumsviertel und Anita Fuchs „Nature!“, der wild wuchernden Wiese vor der Oper, entstanden auch neue Arbeiten. Die gebürtige Kolumbianerin Andrea Acosta setzte sich für „Rehearsals for transforming landscapes“ mit den stillgelegten Steinbrüchen am Annengraben und am Hauenstein auseinander. Und der Komponist und Programmierer Mandy Mozart übersetzt den Klang von geologischen Tiefenbohrungen in eine zehnminütige Soundskulptur. In einer ganz anderen Arbeit ist auch ein Mini-Podcast von ihm zu hören, in dem er ein Interview mit einer Krähe führte und sich in einen Mammutbaum hineinversetzte.

„Georg - unser Stadtpark-Hansi“, 1932
„Georg - unser Stadtpark-Hansi“, 1932 © Karl Friedel, Sammlung Karl Friedel / Brigitte Storm

Ein eigener Raum ist erstmals auch der Topothek gewidmet, in der das Museum historisches Material aus Privatbesitz sammelt und so den Menschen die Möglichkeit bietet, Geschichte mitzuerzählen. 115 Exponate habe man zum Thema „Stadt Natur ... und du“ schon bekommen. Eine Erkenntnis aus den Einsendungen zum Jahresthema schildert Antonia Nussmüller: „Uns war etwa nicht klar, dass es früher so viele unterschiedlich aussehende Stadtpark-Hansis gab, neben den rotbraunen gab es auch braune und gefleckte, wie die Bilder zeigen.“ Die Grazerinnen und Grazer teilten mit den Fotos auch ihre Erinnerungen – dass es Nuss-Automaten im Stadtpark gab und dass die Eichhörnchen auf den Ruf „Hansi, Hansi, Nussi, Nussi!“ herbeigeeilt kamen. „Solche Geschichten können wir nicht erzählen, aber die Leute können das“, sagt Nussmüller.

In weiteren Räumen können sich die Besucherinnen und Besucher selbst beteiligen, es gibt Raum für eigene Beobachtungen und Formulare für „Porträts einer nicht-menschlichen Nachbar*in“. Der „Raum der Träume“ lädt dazu ein, selbst einen Lebensraum zu erschaffen – und zwar mit der Hilfe von klassischen Overhead-Projektoren.

Übrigens: Ein Exponat aus der Ausstellung „Protest“ ist einfach in den Ausstellungräumen geblieben, weil es zu beiden Themen passt: Eine riesige Huchenskulptur hat zuvor die Protestbewegungen gegen das Mur-Kraftwerk symbolisiert, jetzt „schwimmt“ er einfach als Fisch durch die neue Ausstellung.

Zu sehen ist die Ausstellung bis 2. Februar 2025.