Im Grazer Stadtraum wird es ab heute nicht zu übersehen sein: 16 Meter lang ist die Textilskulptur, die am Mariahilferplatz bis Ende des Monats entsteht. Sie stellt einen Sattelschlepper dar, für dessen „Planen“ Alttextilien verarbeitet werden – gewebt, getuftet und genäht von den Besucherinnen und Besuchern. Sogar die Reifen entstehen aus Altkleidung, hier werden nicht mehr benötigte Schuhe zerkleinert. Dass das Projekt nach dem Start in Berlin nun auch in Graz umgesetzt wird, liegt an der Initiatorin: Die Designerin, Künstlerin und Nachhaltigkeits-Aktivistin Lisa D. alias Elisabeth Prantner ist gebürtige Kärntnerin, war aber viele Jahre in Graz aktiv, bis es sie nach Berlin zog. Hier gründete sie den mehrfach preisgekrönten Verein „Bis es mir vom Leibe fällt“, der sich der Förderung von Umweltschutz und nachhaltiger Alltagskultur im Bereich Textilien und Kleidermode widmet. Der Ansatz des kreativen Reparierens von Kleidung wird durch Kunst-Performances im öffentlichen Raum weiterverbreitet, aber auch Workshops und Bildungsprojekte, etwa mit Schulen spielen eine große Rolle, natürlich auch in Graz.

Doch wie geht man in der Stadt sonst mit dem gewaltigen Problem Altkleidung um? Wer sich jemals damit beschäftigt hat, was mit unseren Kleidern passiert, wenn sie kaputt, zu eng oder aus der Mode gekommen sind, hat einige Schockmomente hinter sich. Jede Sekunde (!) wird weltweit eine Lkw-Ladung Alttextilien verbrannt oder auf einer Deponie entsorgt – vieles davon wurde sogar nicht einmal getragen. Die Herstellung eines einzigen Baumwoll-Leiberls verbraucht laut EU 2700 Liter Wasser, so viel, wie ein Mensch in 2,5 Jahren trinkt. Auf die Herstellung von Textilien entfallen zehn Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen, mehr als internationale Flüge und Schifffahrt zusammen. Dazu verschmutzen Mikrofasern von Synthetikkleidung die Gewässer.

EU-Green Deal: Grazer Firmen setzen auf Textilrecycling

In der EU soll ab 2025 der Green Deal dafür sorgen, dass Textilien in Zukunft besser wiederverwertbar sind. „Textilrecycling“ ist also das Zauberwort, auf das auch mehrere Grazer Firmen setzen – alte Kleidung wird sortiert, geschreddert und zu neuen Fasern verarbeitet. Allen voran hat die Andritz AG im November die erste Sortierungs- und Recycling-Anlage Frankreichs in Amplepuis bei Lyon offiziell eingeweiht. Der türkische Andritz-Kunde Sanko will bis 2030 eine Million Tonnen Textilien jährlich recyclen. Er hat Andritz mit zehn Recycling-Linien beauftragt, wovon bereits fünf in Betrieb sind. „Der Markt wird sich wie beim Papierrecycling in den 1970er Jahren entwickeln“, stellte Andritz-Chef Joachim Schönbeck bei kürzlich bei der Bilanzpressekonferenz des Konzerns in Aussicht. Auf der technischen Seite seien die Voraussetzungen für eine komplette Kreislaufwirtschaft gegeben.

Bei der neuen Textilrecyclinganlage, die das schwedische Textilrecycling-Unternehmen Renewcell um 150 Millionen Euro errichtet hat, spielt Technologie aus Graz eine entscheidende Rolle. Das traditionsreiche Grazer Technologieunternehmen GAW technologies trug nämlich hier ein Hydrosulfit-Lösungssystem bei. „Für uns ist ein perfektes Referenzprojekt im Bereich Textilrecycling“, freuen sich die Geschäftsführer Nina Pildner-Steinburg und Wolfgang Senner, die sich mit dem Green Deal mehr Aufträge in diesem Bereich erwarten. Das Recycling-Unternehmen Saubermacher wartet die Details des Green Deal ab, für Gründer Hans Roth ist es jedenfalls in Österreich essenziell, „dass alle gemeinsam sammeln müssten“.

Immer noch am nachhaltigsten: Second Hand und bio-faire Mode

Die nachhaltigste Variante ist es aber nach wie vor, Kleidung zu reparieren und weiterzuverwenden, bei Kleidertausch-Veranstaltungen weiterzugeben oder zu spenden – Carla der Caritas etwa verwertet einen Großteil der Ware in der Steiermark. Der Shop-Anteil der gespendeten Sachen liegt bei Textilien und Schuhen bei immerhin rund 25 Prozent, der Müllanteil bei 15 Prozent. Wer bewusst einkaufen will, findet gerade jetzt im Vintage-Boom eine stark steigende Anzahl von Second-Hand-Geschäften. Oder auch bio-fair produzierte Ware bei Zerum, Apflbutzn oder Chic Ethic.