Das Schreiben aus London traf am Montagabend, kurz vor 22 Uhr, ein. Franz Parteder, KPÖ-Urgestein und Lebensgefährte der Grazer Bürgermeisterin Elke Kahr, leitete es um 2.32 Uhr an die Redaktionen weiter. Der Inhalt: Kahr wurde Weltmeisterin! Die KPÖ-Chefin wurde mit dem „World Mayor Prize“ ausgezeichnet. Dabei ging es weder um die Partei hinter Kahr noch um deren Ideologie – und die vermeintliche Nichtabgrenzung davon, welche die Grazer Opposition der Bürgermeisterin genauso wiederholt vorwirft wie die „Almosenpolitik“. Vielmehr begründete die Jury mit Kahrs „selbstlosem Einsatz für ihre Stadt und deren Bewohner“, die 62-Jährige habe bewiesen, dass Lokalpolitik mit Bürgernähe „zwingend und erfolgreich sein kann“. Und der Umstand, dass sie einen Großteil ihres Gehalts spende, habe weltweite Aufmerksamkeit erregt.

Im Herbst 2023 war ja bekannt geworden, dass die in London ansässige City Mayors Foundation die Grazer Ortschefin als eine von 25 Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern aus 21 Ländern nominiert hatte. Ausgezeichnet wurden nun neben Kahr unter anderen auch Stefan Fassbinder, Ortschef im deutschen Greifswald, der den „World Mayor Friendship Award“ erhielt, und Manuel De Araújo, Bürgermeister in Quelimane (Mosambik), den die Jury für seinen Einsatz für die Demokratie ehrte. Auch Vitali Klitschko, Ortschef von Kiew, war nominiert.

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„Eine schöne Auszeichnung, die mich natürlich ehrt“

Die Ausgezeichnete selbst freut sich: „Das ist eine schöne Auszeichnung, die mich natürlich ehrt.“ Sie erhalte in Kürze auch eine Skulptur, „wie genau das passiert, weiß ich noch gar nicht“. Auf die Frage, ob sie die Kritik mancher nachvollziehen könne, dass bei dieser Preisverleihung das ideologische Korsett hinter den Bürgermeistern keine Rolle gespielt habe, meint sie: „Das hat ja eine Jury entschieden, das muss ich nicht kommentieren. Aber da geht es ja um die Art der kommunalen Politik, die man auszeichnet. Und es ist schön, wenn manche auf diese Weise vielleicht auch zum ersten Mal von Graz hören.“

Tann vom Hove von der City Mayors Foundation hält Kahr für ein „Vorbild für Menschen, nicht nur für Politiker, die einen Beitrag zu ihrer Gemeinschaft leisten wollen, ohne nach persönlichen Vorteilen zu streben“. Unterstützung erhielt Kahr von einer Reihe von Menschen, die Empfehlungen eingereicht hatten – darunter waren nicht nur Bürgerinnen und Bürger aus Graz, sondern auch aus Salzburg und Städten in Deutschland wie Berlin oder Jena. Kahr werde demnächst die Skulptur, die sich aus drei Kuben zusammensetzt, erhalten, kündigte die Foundation an.

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„... zu wissen, wo der Schuh drückt“

In ihrem auf der Website der Foundation abrufbaren Essay, das sie vor der Vergabe in der engeren Auswahl einzureichen hatte, beschrieb Kahr ihr Credo: „Mir war persönlicher Kontakt zu Menschen, zu den Bürgerinnen und Bürgern von Graz, immer das Wichtigste. Ich bin so oft wie möglich in den Stadtbezirken, besuche Leute, halte Sprechstunden ab, rede mit Menschen, die Probleme und Sorgen haben. Ich brauche keine Studien, um zu wissen, wo der Schuh drückt … Dabei geht es nicht immer nur um die großen Dinge. Hier fehlt eine Stiege, da ist ein Nachbar zu laut, dort braucht jemand einen Lift oder es gibt ein Gebrechen im Haus. Ich mache mir dann oft vor Ort ein Bild. Wenn es einen Konflikt gibt, will ich beide Seiten hören. Ich treffe dabei auch Menschen, die einfach nur plaudern oder ihre Sorgen teilen wollen.“

Im Sommer hatte Kahr im Gespräch mit der APA zur Nominierung gesagt: „Es freut mich natürlich unter den 25 besten und nicht den 25 schlechtesten Bürgermeistern der Welt zu sein.“ Chancen rechnete sie sich aber nicht aus. „Es ehrt einen, dabei zu sein und bringt vielleicht auch positive Werbung für die Stadt.“ Klitschko kenne sie eher als Boxer und weniger als Bürgermeister, aber weil er in einem Land sei, das derzeit ein „fürchterliches Elend erlebt, wäre es ihm zu wünschen, dass er es wird“, sagte sie damals noch.

Der Preis geht auf eine Aussage der früheren amerikanischen First Lady Eleanor Roosevelt im Jahr 1958 zurück: Sie sagte damals bei der Generalversammlung der Vereinten Nationen, dass Menschenrechte in Gemeinden beginnen, in denen einfache Menschen gleiche Gerechtigkeit, gleiche Chancen und gleiche Würde ohne Diskriminierung anstreben. „Eleanor Roosevelt hätte die Arbeit von Bürgermeisterin Elke Kahr in Graz gewürdigt“, glaubt Tann vom Hove.