Sogar, wenn man nur ein kleines Stück des Wegs, etwa zum Auto oder zur Straßenbahn, geht: Das Zu-Fuß-Gehen ist letztendlich das wichtigste Bewegungsmittel. Dennoch wurde es früher in der Verkehrsplanung eher stiefmütterlich behandelt. Das will Verkehrsstadträtin Judith Schwentner (Grüne) mit dem „Masterplan Gehen“ ändern und dem Gehen den verkehrsplanerischen Stellenwert geben, den es verdiene. „Es ist mir ein Herzensanliegen, diese schöne Art der Fortbewegung zu fördern und dabei besonderes Augenmerk auf ältere Menschen und Kinder zu legen“, so Schwentner. Ein erster Schritt war die Bestellung einer Fußgängerbeauftragten im Jahr 2022: Renate Platzer ist seither die Ansprechpartnerin für Probleme mit fehlenden Ampeln, zu schmalen Gehwegen oder auch bei Sicherheitsbedenken. Und einer der wichtigsten Köpfe hinter dem „Masterplan Gehen“, mit dem sich die Stadt Graz das Ziel setzt, bis 2040 den Fußgängeranteil in Graz – gemeint ist hier immer das Haupt-Fortbewegungsmittel – auf 23 Prozent zu steigern. Derzeit liegt man bei 21 Prozent, womit man sich schon um 2 Prozentpunkte gegenüber 2018 gesteigert hat. „Dabei hat uns allerdings auch Corona geholfen“, räumt Platzer ein.
197 Schwachstellen in ganz Graz
Nach drei Workshops und vielen Gesprächen mit den Bezirksvorsteherinnen und -vorstehern hat man 197 Schwachstellen in ganz Graz ausgemacht, die binnen zehn Jahren angegangen werden sollen, ein Drittel davon binnen drei Jahren. Darunter sind acht Leitprojekte: Eine Kampagne soll die Menschen dazu motivieren, öfter die Beine in die Hand zu nehmen, Schulen und Elternvereine sollen bei der Einführung von Pedibussen (ein begleitetes, gemeinsames In-die-Schule-Gehen für Volksschulkinder), unterstützt werden.
Auch ganz konkrete Stellen nimmt man sich vor: Die Kreuzung Steinfeldgasse und Prankergasse soll einen kleinen Nachbarschaftspark bekommen, die Bereiche Oeverseepark und Einkaufszentrum Citypark durch einen attraktiven Gehweg am Mühlgang verbunden werden. Die Druckknopfampel über den Grieskai beim Augartensteg soll „intelligent“ werden, also per künstlicher Intelligenz kommende Fußgänger erkennen und von selbst auf Grün schalten. In der Andritzer Reichsstraße wird im Zuge der Straßensanierung der Haltestellenbereich sicherer für Zufußgehende gemacht. Dazu kommen Projekte wie eine Verkehrsberuhigung im Neutorviertel, „hier bietet sich die Kaiserfeldgasse als Begegnungszone geradezu an“, sagt Schwentner, und ein Verkehrskonzept für die Volksschule und Mittelschule Puntigam.
Im Vorjahr gab es 1,5 Millionen Euro für die Projekte, darunter drei Schulstraßen, für 2024 können Schwentner und Platzer für den Masterplan noch keine Budgetzahlen nennen. Einerseits schließt man sich, wie etwa in der Andritzer Reichsstraße, an andere Verkehrsprojekte an, andererseits ist es auch ein Ziel des Masterplans, eine Grundlage für landes- und bundesweite finanzielle Förderung von Fußverkehrsmaßnahmen im Rahmen der Förderschiene „klimaaktiv mobil“ zu schaffen.
ÖVP-Kritik: „Masterplan ist ein No-Go“
Von der ÖVP gibt es Kritik am Masterplan: Dieser sei ein „No-Go“ und nicht nur inhaltlich lückenhaft, sondern könne aus formalen Gründen auch nicht im Gemeinderat beschlossen werden. Zum wiederholten Male seien die Bezirksräte vor der Beschlussfassung im Gemeinderat nicht informiert worden, obwohl das die Geschäftsordnung dringend vorschreibe. „Nach jahrelanger Vorlaufzeit wird jetzt ein Stück in höchster Eile an den Bezirken vorbei in den Gemeinderat eingebracht“, so Gemeinderat und Stadtparteigeschäftsführer Markus Huber, der ankündigte, die Bürgermeisterin aufzufordern, das Stück von der Tagesordnung zu nehmen. Diese Kritik will sich Schwentner nicht gefallen lassen. Natürlich seien die Bezirke eingebunden gewesen, auch Huber hätte selbst an einem Workshop teilgenommen. Man halte sich an alle formalen Vorgaben.
KFG-Klubchef Alexis Pascuttini spricht von teuren „ideologischen Tagträumereien“ und kündigt für den Gemeinderat eine Frage an Schwentner zu einem desolaten Gehweg in der Anton-Kleinoscheg-Straße in Gösting an. „In diesem Fall könnte mit einer Sanierung tatsächlich etwas für die Fußgänger getan werden“, so Pascuttini.