Das Weihnachten meiner Kindheit ist für mich mit Wohligkeit verbunden – mit Familie, gutem Essen und dem Gefühl, gut aufgehoben zu sein. Wir haben sehr einfach und bescheiden in der Siedlung neben der Barackensiedlung hinter dem Urnenfriedhof gelebt, aber ich habe ein gutes Zuhause gehabt. Wir hatten einen großen Garten mit Obstbäumen und vielen Hasen und Gänsen und einem Ententeich. Bis zum 14. Lebensjahr habe ich im Zimmer meiner Eltern geschlafen, wir hatten keine Dusche und in der Küche einen Herd, der mit Kohle geheizt wurde und der auch das Zimmer mit heizte. Ich höre heute noch dieses Knacken im Ofen in der Küchl.

Die Feste, egal ob das Ostern oder Weihnachten war, waren weniger mit einem religiösen Hintergrund verbunden, aber es war immer klar, dass die Familie zusammenkommt. Die war damals als Kind für mich kleiner, als sie dann später im Erwachsenenleben geworden ist: Meine Eltern – ich bin ja adoptiert worden, meine Oma und ich. Auf den Heiligen Abend hat man sich natürlich gefreut, weil man gewusst hat, dass die Eltern eine Überraschung für einen haben. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich jemals enttäuscht gewesen wäre, es gab nix Großes, aber immer etwas total Passendes.

An viele Geschenke kann ich mich noch erinnern, da war ein Kreisel, eine „Negerpuppe“ – so hat man damals halt gesagt, und viele, viele Bücher. Ich habe immer viel gelesen, die meisten Bücher waren aus der Bücherei, aber zu Weihnachten habe ich eigene bekommen. Eines der prägendsten war die Reihe „Die Söhne der Großen Bärin” von Liselotte Welskopf-Henrich, einer DDR-Autorin, die lange bei Indianern in Kanada gelebt hat. Es war nicht so ein verkitschtes Indianerbuch – obwohl ich die auch alle verschlungen habe –, sondern es ging um den Kampf eines kleinen Stammes und um die Geschichte eines Buben, der in einer Welt aufgewachsen ist, die noch in Ordnung ist und bis zum Ende. Ein sehr fortschrittliches Jugendbuch, das meinen Drang nach Gerechtigkeit und meinen Blick auf die Welt sehr beeinflusst hat. Ich weiß nicht, wo mein Vater das herhatte, weil es damals komplett unbekannt war. Jetzt habe ich es meiner Enkelin als Geschenk gegeben.

Ein echtes Highlight war ein Philips-Plattenspieler, den habe ich bekommen, als ich in die Handelsschule gekommen bin, danach war Highlife. Den habe ich heute auch immer noch und er wird auch gut benutzt, wir haben Tausende Platten daheim. Als ich mein eigenes Zimmer bekam – mein Papa hat damals einen Raum dazugebaut –, habe ich meine eigene Weihnachtsparty zu Hause gehabt. Da waren meine Eltern schon schwer tolerant, wir haben laut Musik gespielt von Jimi Hendrix und so weiter. Den Plattenspieler habe ich heute auch immer noch und er wird auch gut benutzt, wir haben Hunderte Platten daheim.

Schon die Vorweihnachtszeit war etwas Schönes, meine Mutter ist mit mir an den Samstagen immer auf den Weihnachtsmarkt gegangen. Im Volksgarten hat es entlang des Parks Standln gegeben, mit Zuckerwatte und Schaumschnitten und Lebkuchen. Im Winter war ich wie im Sommer immer draußen, wie generell die Kinder damals. Weihnachten war mit viel Schnee verbunden, das sagen eh alle älteren Leute und jetzt auch ich. Wir hatten eine Rodelwiese gleich in der Nähe in der Kapellenstraße, da stehen jetzt Häuser. Mit den Schnackerlskiern, die wir hatten, ist es dort auch super gegangen. Hunderte Male ging es auf und ab. Da hat’s keinen gestört, ob wir laut waren, ob wir getobt haben, wir haben uns angehaut und hatten blaue Flecken. Immer haben wir die Zeit übersehen, irgendwann ist halt irgendeine Mutter gekommen und hat gesagt, jetzt ist Schluss.

Weihnachtsbussi: Elke Kahr und ihre Nichte (das kleinere Mädchen)
Weihnachtsbussi: Elke Kahr und ihre Nichte (das kleinere Mädchen) © Privat

Ein Ritual war es auch, die Oma eine Woche vor Weihnachten abzuholen, zu ihr fahren war wie eine Weltreise für mich. In der Triester Straße eingestiegen, am Jakominiplatz in die Straßenbahn bis Endstation St. Leonhard, dort gab es in der Konditorei einen Kakao und Indianer mit Schlag für mich. Dann mit dem Bus in die Ragnitz und von der Endstation noch eine gute halbe Stunde zu Fuß bergauf in die Haberwaldsiedling. Meine Oma lebte dort alleine in einem verwunschenen Dornröschenhäuschen, mit weißer Kalkfarbe angestrichen und komplett mit Rosen umrankt. Es war Substandard, die Oma hat kein Wasser drin gehabt, das hat mich natürlich überhaupt nicht gestört. Das Hinausfahren war wie eine Reise in eine andere Welt.

Weihnachten war für mich immer mit Familie verbunden, in den verschiedensten Konstellationen. In meinen Teenagerjahren und als junge Erwachsene war ich viel unterwegs, ich bin mit dem 2CV sogar bis Amsterdam durchgefahren. Aber zu Weihnachten hab ich immer geschaut, dass ich daheim war, das war immer wichtig. Als ich dann den Franz kennengelernt hab und 1990 der Franzi auf die Welt gekommen ist, war es sowieso nur mehr schön. Da haben wir immer bei der Mutter von meinem Mann in St. Peter Freienstein gefeiert, dort sind alle zusammengekommen, da ist meine Familie größer geworden. Die Großmutter hat im Sommer schon immer den Baum ausgesucht, den sie dann aus dem Wald stibitzen wird, das haben alle gemacht. Vom 24. bis 26. waren wir immer beieinander, mein Mann hat am 26. auch Geburtstag. Es war immer lustig und das ist es heut noch, wir freuen uns zusammenzukommen, weil wir gut essen, gute Musik hören, Spiele spielen Ende nie und viel draußen sind.

Heuer feiern wir am 24. Dezember bei der Familie unseres Sohns, da wir alle am 25. und 26. Dezember in St. Peter–Freienstein in der Obersteiermark zusammenkommen. Dort sind dann die Kinder mit ihren jeweiligen Partnern, vier Enkelkinder – und es gibt wirklich viel Schnee. Wir beschenken auch nur noch die Kinder, sonst wird das zu viel. Wichtig ist nicht nur zu Weihnachten, dass auch schön gedeckt wird und dass man sich Zeit lässt. Und dass man zusammen ist und jede und jeden so nimmt, wie er ist. 

Ob der Glaube eine Rolle spielt? Ich habe großen Respekt vor anderen Religionsgruppen und gehe gerne in Kirchen, aber weil mich die Bauwerke interessieren. Ich selber habe den Glauben einer Veränderung im Diesseits, ich kann leider nicht an ein höheres Wesen glauben, das ist halt so und das ist nix Dramatisches. Aber ich glaube auch, dass wir da nicht so weit auseinander sind, denn wenn man alles, was durchaus Gutes und Richtiges in den Schriften vieler Religionen tatsächlich leben würde, dann würde unsere Welt auch anders ausschauen. Ich kenne per se keine Religionsgruppe, die sagt, dass es gescheit ist, Kriege zu führen, sich zu bereichern, auf Leute herabschauen, sie zu erniedrigen und zu demütigen.