Sie sei auch „ein Spiegelbild des Selbstverständnisses einer Stadt“, sagt Historiker Helmut Konrad: Er spricht über die Liste der Ehrenbürger der Stadt. Konrad ist Teil einer Proponentengruppe, die sich für eine zeitgemäße, grundsätzliche Änderung der Verleihungspraxis einsetzen will. Ausgangspunkt war die Überzeugung, dass der heuer plötzlich verstorbene Armenpfarrer Wolfgang Pucher posthum die Ehrenbürgerschaft und damit die höchste Auszeichnung der Stadt erhalten sollte. Die Einrichtungen, für die Pucher den Grundstein legte, würden auch weiter in die Zukunft von Graz und anderer Städte reichen.

Geregelt sind die Ehrungen im Statut der Stadt Graz (siehe auch Infokasten unten), einem Landesgesetz, das nur die Verleihung der Ehrenbürgerschaft an lebende Personen vorsieht – in der Theorie erlischt die Ehrenbürgerschaft, mit der übrigens keinerlei persönliche Rechte verbunden sind, mit dem Tod. Auf offiziellen Listen werden die Geehrten, die auch mit einem Porträtbild im Rathaus hängen, dennoch nach dem Ableben weiter geführt.

Initiator der Initiative ist der pensionierte Kleine-Zeitung-Journalist Christian Weniger, der auch schon bundesweit eine Reform des Ehrenzeichengesetzes angestoßen hat, Anlassfall war der in den 50er Jahren geehrte Hans Globke, ein Verfassungsjurist – und, wie sich erst nach seinem Tod herausstellte, Mitverfasser der Nürnberger Rassengesetze. „Unsere Initiative soll der Anstoß zu einer Diskussion sein“, sagt Weniger. Es gehe um das Werteverständnis einer Stadt, das in der Ehrenbürgerschaft abgebildet werden solle. Der Proponentengruppe angeschlossen haben sich neben Konrad auch Ex-Caritas-Präsident Franz Küberl, die frühere OGH-Präsidentin Irmgard Griss, Ex-Vizebürgermeisterin Lisa Rücker, Stadthistoriker Karl A. Kubinzky und viele andere.

Nur eine Ehrenbürgerin seit 1945

Sieben Ehrenbürger hat Graz derzeit, mehr als die Hälfte davon sind Politiker. Die letzten Ausgezeichneten waren Helmut List und Siegfried Nagl, beide im Vorjahr. Unter den 23 verstorbenen Ehrenbürgern, die seit 1945 ausgezeichnet wurden, waren 13 Politiker. Pucher wäre die erste Person aus der Zivilgesellschaft, der diese Ehre zuteil würde. Waltraud Klasnic steht unter 30 Namen als einzige Frau da. „Dass nur eine Frau in der Ehrenbürgerschaftsliste aufscheint, ist im Jahr 2023 eine Schande“, heißt es dazu von der Gruppe, die neben Pucher daher auch die erste Grazer Frauenbeauftragte Grete Schurz als Ehrenbürgerin vorschlägt.

Grete Schurz
Grete Schurz © KLZ/Susanne Hassler

Bürgermeisterin Elke Kahr (KPÖ) steht dem Vorstoß dennoch ablehnend gegenüber. Die Idee würde im Rathaus nicht breit geteilt. „Es ist wichtig, bei Ehrungen das richtige Maß zu wahren“, betont Kahr, es gebe viele Möglichkeiten, Persönlichkeiten zu ehren, die sich besonders um Graz verdient gemacht haben, etwa durch Straßenumbenennungen – spiegle doch „die Präsenz von Straßennamen den Umgang einer Stadt mit ihrer Geschichte wider“, wie Vizebürgermeisterin Judith Schwentner (Grüne) betont. Nach Grete Schurz wurde im Mai ein Platz in Reininghaus benannt, Wolfgang Puchers Name wird im Stadtplan in der Heßgasse verewigt – jene Straße, deren Namen er entfernen ließ, um eine Stigmatisierung von Armutsbetroffenen zu vermeiden. Der Prozess ist bereits im Laufen.

Im Baumkirchnerzimmer befinden sich einige der angefertigen Porträts der Ehrenbürger, u. a. Heinz Fischer, Waltraud Klasnic, Helmut Marko und Egon Kapellari
Im Baumkirchnerzimmer befinden sich einige der angefertigen Porträts der Ehrenbürger, u. a. Heinz Fischer, Waltraud Klasnic, Helmut Marko und Egon Kapellari © Stadt Graz