Eigentlich hätten sechs mutmaßliche Jihadisten am Donnerstag im Grazer Straflandesgericht auf der Anklagebank sitzen sollen. Doch ein Ehepaar aus Bosnien ist nicht gekommen. Den beiden anderen Paaren wird Beteiligung an einer terroristischen Organisation, kriminelle Vereinigung und Quälen und Vernachlässigen von Unmündigen vorgeworfen, weil sie mit den Kindern nach Syrien gezogen sind. Die sechs Angeklagten - alle bosnischer Abstammung, vier sind aber österreichische Staatsbürger - waren in einem Glaubensverein aktiv. Dort wurde laut Staatsanwalt eine "systematische grundlegende Abwertung der Republik Österreich in ihren Werten" betrieben und eine "staatsfeindliche Verbindung aufgebaut". Doch die Ablehnung des Staats sei nicht konsequent betrieben worden, denn "Kindergeld, Arbeitslosengeld und Pension werden genommen", so der Staatsanwalt.

Bürgerkrieg

Im Dezember 2014 kamen die drei Paare mit insgesamt zwölf Kindern im Alter bis - damals - 14 Jahren über die Türkei nach Syrien und bezogen dort Wohnungen, die ihnen von der Terrororganisation "Islamischer Staat" (IS) zugewiesen wurden. "Der IS hat auch Familien gebraucht, um soziale Strukturen aufzubauen", erläuterte der Staatsanwalt. "Keine der Frauen hat zu ihrem Mann gesagt, du nimmst meine Kinder nicht mit in den Bürgerkrieg", prangerte der Ankläger ganz besonders an.

Staatsanwalt: Bub bei Kopfabschneiden dabei

Der Staatsanwalt hatte zu Beginn drastisch beschrieben, wie die Kinder der Angeklagten mit den Gräueltaten des IS konfrontiert worden sind. Ein achtjähriger Bub soll in Syrien selbst bei der Hinrichtung eines Mannes dabei gewesen sein und aus nächster Nähe das Abscheiden des Kopfes gesehen haben. Alle Kinder sind mittlerweile bei Pflegefamilien untergebracht und werden laufend betreut.

Die Familien sollen sich mit ihren teilweise noch ganz kleinen Kindern Hinrichtungsvideos angeschaut haben, ein Achtjähriger soll sogar auf der Straße selbst bei einer solchen Tötung dabei gewesen sein. Die Frau jenes Mannes, der als Masseur verletzte IS-Kämpfer betreut hat, war zu allen Vorwürfen geständig. Sie gab zu, dass sie sich selbst IS-Filme angesehen hätte. "Die haben Sie mit den Kindern geschaut?", wollte der Richter wissen. "Mit Absicht nicht", meinte die Frau ausweichend.

In Syrien mussten sich auch die kleinen Mädchen im Alter von sieben bis elf Jahren voll verschleiern, sie trugen ebenso wie ihre Mutter Nikab, über dem Augenschlitz einen Schleier und Handschuhe. "Wie heiß war es?", fragte einer der Richter. "40 Grad." "Was haben Sie sich dabei gedacht, Ihre Kinder vollverschleiert und mit Handschuhen herumgehen zu lassen?", hakte der Beisitzer nach. "Wir mussten das alle tragen", war die Antwort.

Die Verteidiger - die ihren Status als Pflichtverteidiger ausdrücklich und wiederholt betonten - merkten an, dass die Familien schon bald wieder Syrien verlassen wollten, doch das sei nicht so einfach gewesen. "Er hat einen großen Fehler gemacht, er hat sich verleiten lassen, er war verblendet, verführt", betonte die Anwältin des Masseurs.

Vorwurf: Männer zu Kämpfern ausgebildet

Die Männer besuchten einen Scharia-Kurs und erhielten eine Kampfausbildung, die Kinder sollen gezwungen worden sein, sich Videos von Hinrichtungen anzuschauen. Einem der Angeklagten (38), einem passionierten Jäger und mutmaßlichen Scharfschützen, wird außerdem vorgeworfen, Männer als Kämpfer ausgebildet und einen Mann durch einen Brustschuss schwer verletzt zu haben.

Als sich in Syrien herausstellte, dass doch nicht alles so rosig war wie erhofft, flüchteten die drei Paare im April 2016 in die Türkei, von wo sie nach Österreich und Bosnien abgeschoben wurden. Die Österreicher wurden sofort verhaftet, die Bosnier tauchten offenbar unter.

Der 38-Jährige fühlte sich schuldig, dem IS angehört und seine Kinder gequält zu haben, leugnete aber, eine Kampftruppe geführt oder jemanden angeschossen zu haben. Der zweite Mann (49), der in Syrien verletzte IS-Kämpfer massiert und betreut haben soll, gab zwar das Quälen der Kinder zu, leugnete aber seine Zugehörigkeit zur Terrororganisation. Die Frau des vermeintlichen Scharschützens fühlte sich in keiner Weise schuldig, die zweite Ehefrau dagegen in allen Punkten.

Der Prozess findet wieder unter strengen Sicherheitsvorkehrungen statt und wurde zunächst auf fünf Tage anberaumt. Er wird am 30. und 31. Mai, sowie am 1. und 2. Juni fortgesetzt.