Es ist als "Wunder von Lassing" bekannt: Georg Hainzl überlebte das Grubenunglück 1998. Aber er ist nicht der Einzige, es gibt ein zweites Wunder. Der Liezener Bergmann Roland Steiner war Teil des Trupps, der den verschütteten Hainzl retten wollte. Und verließ durch eine glückliche Fügung den Stollen, kurz bevor seine zehn Kollegen dort begraben wurden.
Aber von vorn: "Wir haben unten Dienst gemacht, der Georg Hainzl, der Andreas Matlschweiger, der Manfred Rohrer und ich", erinnert Steiner sich zurück. Dann passierte es, ein Stollen stürzte ein und Hainzl wurde in der Jausenkammer eingeschlossen.
Steiner und die anderen beiden fuhren nach oben. "Bis der Lift da ist und man an der Oberfläche ist, hat man Todesangst." Gemeinsam entschied man sich schließlich, Hainzl zu retten. "Und das haben wir auch gemacht – bis zu dem großen Einbruch."
Sorgen des Papas retteten Steiner
Steiner war kurz davor noch einmal nach oben gefahren und entkam dadurch dem Tod. "Mir wurde gesagt, dass mein Papa oben schon durchdreht, weil er nicht weiß, wie's mir geht. Ich solle rauf fahren."
Ein Kollege und "guter Freund" begleitete ihn zum Lift, wo sie verbotenerweise noch zusammen eine rauchten, erinnert sich Steiner mit einem Schmunzeln. "Ich hab' noch gesagt, er solle mit rauf fahren. Er hat geantwortet: 'Na, Stoanl, i komm nach.' Die Chance hat er nicht mehr gekriegt. Da liegen Freude und Leid ganz nah beieinander."
"Konnte nicht damit umgehen"
An den Tagen darauf war die Hoffnung noch groß. Es wurde alles getan, um Hainzl und den Rettungstrupp zu finden. Bei Hainzl gelang es zehn Tage später, bei den anderen nicht. "Ich habe zu Beginn gar nicht registriert, was da passiert ist, dass meine Freunde und Arbeitskollegen unten gestorben sind. Als junger Mensch konnte ich damit nicht umgehen."
Zu Beginn redete er wenig über das Ereignis. "Es war wie eine Blockade in meinem Kopf. Ich glaube, mein Körper wollte mich vor dem Tatsächlichen schützen."
Neun Jahre arbeitete er noch in Lassing in einer Werkstätte. Dann ging er nach Wien, um Abstand zu gewinnen. "Aus den Augen, aus dem Sinn. Ich wollte weg und in Wien ist man anonymer." Heute ist Steiner Kundendienstleiter eines Baumaschinenhändlers in ganz Österreich und hat drei erwachsene Kinder. Die Wochenenden verbringt er in seinem Haus in Liezen.
"Hilft, wenn man drüber redet"
Vor fünf Jahren entschied er sich, über das Grubenunglück zu sprechen. Heute kann er den Vorfall anders betrachten, als damals. "Dadurch wurde ich zu dem, der ich heute bin. Ich weiß jetzt, dass die Familie das Wesentliche ist. Vielleicht hat es mir auch dabei geholfen, dass ich jetzt Personal richtig führen kann. Es hat sich ins Positive gewendet."
Dass seinen offenen Umgang bestimmt nicht jeder gutheißt, weiß er. "Wenn man drüber redet, geht's einem oft besser. Das ist mir nachher aufgefallen. Aber das muss jeder selbst wissen. Ich finde es ganz wichtig, dass man die Entscheidung vom Schurl (Anm.: Spitzname von Georg Hainzl) akzeptiert."
Jahrestag am schwersten
Die beiden haben übrigens noch ab und zu Kontakt. "Wir sind ja immer noch Freunde wie früher. Aber vielleicht ist es auch gut, dass man sich nicht ständig sieht", überlegt Steiner.
Denn die Erinnerungen sind immer noch "aktiv da". Das fällt ihm zum Beispiel jedes Jahr um den 17. Juli auf, wenn er einen Termin einträgt und das Datum im Outlook-Kalender sieht. "Wenn der Tag dann da ist, ist er eh schnell wieder um. Aber davor, wenn man weiß, dass er sich nähert ..."
Für immer Bergmann
Obwohl er schon lange etwas ganz anderes macht, kann Steiner mit dem Bergmannsdasein nicht abschließen. Er ist Obmann des Lassinger Knappenvereins und schreibt gerade an einer Chronik über den Berufsstand. "Der Bergmann ist ein Teil von mir."