In der Gemeinde Mitterberg-St. Martin im Ennstal herrscht helle Aufregung. Mitten im bäuerlich strukturierten Ortsteil Oberstuttern, zwischen mehreren Höfen, hat mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Wolf drei Schafe gerissen. "Davon kann man ausgehen, weil die Spuren für einen Schakal zu groß sind", erklärt der Liezener Amtstierarzt und Rissgutachter Wilfried Laubichler am Ort des Geschehens.

Zwei Schafe hat der Wolf getötet, ein drittes wurde von ihm "angefressen" und dabei so schwer in Mitleidenschaft gezogen, dass es notgeschlachtet werden musste. Als Mitarbeiter des sogenannten "Rissteams" vom landwirtschaftlichen Forschungszentrum Raumberg-Gumpenstein Stunden nach dem Vorfall eintreffen, lebt das Tier noch. Gemeinsam versuchen Helfer und Besitzerin, es einzufangen, was schließlich auch gelingt.

Hans Zeiler, Kammer-Vize aus Liezen, im Videogespräch vor Ort:

"Ich hatte eine sehr enge Beziehung zu den Tieren, ich glaube, ich stehe immer noch unter Schock", zieht die Besitzerin mit Tränen in den Augen ihre Schultern hoch. Von den vier Schafen unweit ihres Hofes hat nur eines überlebt. Die Glocke von "Pauli" – alle Tiere hatten Namen – baumelt lose aus ihrer Jackentasche. "Das war eigentlich eine Familie, also Mutterschaf und Lamm, letztlich hat nur eines überlebt."

"Joggen in den Wald gehe ich nicht mehr"

Im Ort selbst und den benachbarten Gemeinden bis hinauf nach Schladming verbreitete sich die Kunde in Windeseile: "Ein Wolf hat zugeschlagen!" Man kenne das sonst immer nur von anderen Orten, erklärt Johanna Giselbrecht, die nur wenige Meter daneben einen eigenen Hof führt. "Ich habe mit mehreren Müttern gesprochen, die Angst ist groß." Man traue sich jetzt etwa nicht mehr, den Kinderwagen alleine draußen stehen zu lassen.

"Die Kinder gehen sonst auch oft in den Wald spielen, das ist uns jetzt einfach zu gefährlich", erklärt sie und reflektiert während des Gesprächs ihre eigenen Worte. "Das hört sich jetzt so an, als ob es ein Märchen wär', aber es ist Realität." Auch Joggen will sie nicht mehr in den Wald gehen. "Wir warten sicher nicht 14 Tage auf den DNA-Test, ob es tatsächlich ein Wolf war. Wir müssen ab sofort vorsichtiger sein."

Mit dem Auto statt zu Fuß

Ein anderer Nachbar berichtet, dass man die Schulkinder jetzt nicht mehr alleine zur Bushaltestelle gehen lassen werde. Eigentlich sind es nur ein paar Hundert Meter. "Aber bei so kleinen Wesen braucht es nicht viel." Die Kinder werden zur Sicherheit mit dem Auto hingebracht.

In der politischen Landschaft passt der aktuelle Zwischenfall – übrigens der erste heuer in der Steiermark – punktgenau auf die Tagesordnung. Eine Abordnung aus dem Bezirk Liezen mit unter anderen Kammerobmann Peter Kettner und Bad Aussees Bürgermeister Franz Frosch hatte heute, Dienstag, einen Termin bei Umweltlandesrätin Ursula Lackner (SPÖ) und Landwirtschaftslandesrat Johann Seitinger (ÖVP).

"Nicht zufriedenstellend"

Das Zusammentreffen mit Lackner beurteilt man als "nicht zufriedenstellend". Der Druck sei einfach noch zu gering, sagt Kettner und stellt die Frage: "Wie viele Schafe müssen noch sterben, bis die Politik reagiert." Man habe Lackner auch zweimal zu Betrieben ins Ennstal eingeladen. "Es gab keine Reaktion."

Im Büro der Landesrätin erklärt man: "Die aktuelle Verordnung zu ändern, ist nicht vorgesehen, aber wir nehmen die Sorgen der Landwirte sehr ernst und evaluieren die Situation ständig, um, wenn möglich, weitere Schritte setzen zu können."

Versicherung für Landwirte

Das Land habe auch ein Wolfsmanagement eingeführt, auffällige Tiere sollen etwa vergrämt werden, bevor sie als "Problemwölfe" schon jetzt entnommen werden können. Man habe auch eine Versicherung, die Landwirte bei Rissfällen entschädigt.

Im betroffenen Fall kennt Reinhard Huber, stellvertretender Leiter des Bereiches Schafe und Ziegen an der HBLFA Raumberg-Gumpenstein, den Wert. "Das sind wenige Hundert Euro, wenn der Fall durch eine DNA-Probe bestätigt wird. Das wiegt den emotionalen Schmerz bei Weitem nicht auf, der bei solchen Rissen entsteht." Und wenn es – anders als diesmal – größere Herden betrifft, würden oft viele verängstigte Tiere zurückbleiben. Die monetäre Abgeltung stünde jedenfalls in keinem Verhältnis zum tatsächlichen Schaden.

Seitens der FPÖ fordert LAbg. Albert Royer: "Die Zeit der fruchtlosen Debatten muss vorbei sein. Jetzt gehört rasch gehandelt und unser Antrag zur Entnahme von Problemwölfen schnellstens beschlossen!"