In genau einer Woche jährt sich eine Tragödie zum ersten Mal: Ein damals 46-jähriger Polizist erschoss am 27. Februar 2023 mit der Dienstwaffe seinen Chef, den Inspektionskommandanten von Trieben, in dessen Büro. Im Jänner dieses Jahres wurde der Polizist nach umfangreichen Ermittlungen wegen Mordes angeklagt. Dienstag wurde der Fall am Landesgericht Leoben verhandelt. Gegen halb 10 begann die Verhandlung, bereits zu Beginn kündigte der Angeklagte an, auszusagen und sich schuldig zu bekennen.
Kleine-Redakteurin Iris Hödl im Video:
In den Mittagsstunden zogen sich die Geschworenen zur Beratung zurück, sowohl der Staatsanwalt als auch Vertreter der Angehörigen und Betroffenen appellieren auf Schuldspruch und lebenslange Haft. Der Verteidiger des Angeklagten merkt an, die Höchststrafe sei den schwersten Fällen vorzubehalten. Kurz nach 14 Uhr wurde schließlich das Urteil verkündet. Der Mann erhält eine Freiheitsstrafe von 20 Jahren, die acht Geschworenen stimmten einstimmig für einen Schuldspruch. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
Während der Verhandlung konfrontiert der Richter den Angeklagten unter anderem mit Aussagen seiner Kollegen, er solle öfter unzuverlässig gewesen sein. Laut psychiatrischem Gutachten war der Mann komplett zurechnungsfähig. „Die Stimmung am Posten war angespannt, der Kommandant hat mich immer wieder auf Nachlässigkeiten angesprochen“, so die Antwort des Angeklagten. Dies habe in weiterer Folge dazu geführt, dass sich der Angeklagte immer wieder in den Krankenstand „flüchtete“, wie er sagt. Auch der Tag der Tat sei direkt nach einem Krankenstand gewesen, sagt der Mann aus. „Da war ich aber tatsächlich krank.“ Im Gespräch mit dem Kommandanten kurz vor der Tat sei dieser Krankenstand unter anderem Diskussionsthema gewesen.
„Dann habe ich ihn erschossen“
Das Opfer, ein 59 Jahre alte Lassinger, war erst ein paar Monate zuvor Chef der Inspektion geworden. Laut Angaben der Staatsanwaltschaft Leoben soll er seinen jüngeren Kollegen wegen eines nicht richtig protokollierten Arbeitsunfalls zur Rede gestellt haben. Weiters soll er ihn mit den Konsequenzen, einer Anzeige, konfrontiert haben, woraufhin der 46-Jährige das Zimmer verlassen habe. „Ich habe dann meine Waffe geholt und wollte eigentlich zur Ärztin, um eine Krankenstandsbestätigung zu holen“, schildert der Angeklagte weiter. „Ich habe mich dann aber umentschieden und bin zurück, um zu fragen, ob das wirklich nötig sei und ob man wegen der Anzeige etwas machen könne.“
Der 59-Jährige sei dem Angeklagten daraufhin wegen der Krankenstandsbestätigung entgegengekommen, an der Anzeige hielt das Opfer fest – so schildert es der Täter. Zuerst habe er sich selbst die Waffe an die Schläfe gehalten, fügt er hinzu. „Ich kann es mir selbst nicht erklären, aber dann habe ich ihn erschossen.“
„Er hat ihn kaltblütig und brutal hingerichtet“
Insgesamt fielen vier Schüsse. Die Folge: ein „zentrales Regulationsversagen und hochgradiger Blutverlust“, zitiert Viktoria Steinecker von der Staatsanwaltschaft aus einem Gutachten. Den Tathergang schildert Staatsanwalt Andreas Riedler so: „Er hat zuerst zweimal auf den Kommandanten geschossen, in Oberkörper und Kiefer, dieser ist daraufhin zur Tür gerobbt, dann wollte er unter einem Schreibtisch Schutz suchen. Ein Schuss in den Kopf endete tödlich.“ Reanimationsversuche blieben erfolglos, der 59-Jährige verstarb noch am Tatort. „Er hat ihn kaltblütig und brutal hingerichtet“, ist Riedler überzeugt und plädiert für einen Schuldspruch und lebenslange Haft. Der Beschuldigte feuerte aus einer Entfernung von 1,4 Metern aus seiner Dienstwaffe, einer Glock 17.
Der Angeklagte kann sich unterdessen nur noch an einen Schuss erinnern. Er steht Rede und Antwort, braucht aber jedes Mal lange, bis er spricht. Nach der Tat habe er sich die Hände gewaschen und sich verhaften lassen. Ein Ex-Kollege des Angeklagten teilt seine Version der Geschehnisse, er hatte unbewaffnet hinter der Tür gelauert. „Ich habe sofort gesehen, dass er keine Waffe dabei hatte. Er hat zu mir gesagt: ‚Leg mir die Handschellen an, ich habe den Chef erschossen.‘ Dabei war er ruhig und gelassen, nicht aufgeregt.“
Ex-Kollegen in psychologischer Behandlung
Eine weitere Kollegin, die sich in der Inspektion befand und geflüchtet war, hatte schon Verstärkung gerufen. Beide nehmen seit dem Vorfall psychologische Behandlung in Anspruch, ersterer berichtet von Schlafstörungen und Angstzuständen, an denen er durch das „traumatische Erlebnis“ leidet, wie der Ex-Kollege erzählt. Der Gerichtssaal im Landesgericht Leoben ist bis zum letzten Platz besetzt, einige Zuhörende müssen sich mit Stehplätzen begnügen. Eine der Anwesenden ist die Tochter des Opfers, im Verlauf des Prozesses kann sie die Tränen nicht mehr zurückhalten. Was in dem Mann bei der Tat vorgegangen sei, will der Richter wissen, der Angeklagte schweigt. „Kommt da noch was?“ Aufatmen. „Nein.“
Sein Verteidiger sieht einen möglichen Grund in seiner „von Gewalt geprägten Kindheit“. Der Vater des Angeklagten habe einmal auf diesen, seinen Bruder und die Mutter geschossen, erzählt der Richter und stützt sich dabei auf eine Aussage des Bruders, der bei der Verhandlung nicht einvernommen wird: „Mein Bruder und ich sind im Stockbett gelegen. Der Vater hat mir die Waffe an den Kopf gehalten. Wir sind geflüchtet, dann hat er nachgeschossen.“ Danach sei nichts mehr so gewesen wie vorher.
Der Richter konfrontiert den Angeklagten unterdessen damit, vorher nicht angegeben zu haben, sich die Waffe selbst angesetzt zu haben. Erschwerend kommt hinzu: Der Angeklagte ist seit Jahren Cannabis-Konsument, wie er im Verlauf der Verhandlung gesteht. Vertreter der Angehörigen und Betroffenen schließen sich der Forderung des Staatsanwaltes nach lebenslanger Haft und Schuldspruch an. In seinem Schlussstatement sagt der Täter: „Ich weiß, ich kann nichts gut machen. Ich habe jemanden getötet und Menschen schlimme Schmerzen zugefügt. Ich möchte mich entschuldigen.“