Zu seinem 60. Geburtstag wünschte er sich keine Geschenke, sondern Spenden für das von seinem Großvater gegründete Museum. Ohne seine Rettungsaktion vor 25 Jahren wäre das Grazer Volkskundemuseum am Paulustor nicht das, was es heute ist, sind sich viele Zeitzeugen einig. Die Rede ist von Heiner Herzog, dem 2019 verstorbenen Enkel des steirischen Volkskundlers Viktor Geramb. Der studierte Forstwirt war langjähriger Mitarbeiter der Landeskammer für Land- und Forstwirtschaft Steiermark, später Geschäftsführer des Ländlichen Fortbildungsinstitutes (LFI) und stellvertretender Kammeramtsdirektor. Seine Verdienste für das Land wurden vielfach geehrt, die Volkskultur lag ihm familien- und berufsbedingt am Herzen. „Bereits in meiner Kindheit war ich oft im Museum unterwegs. Der Arbeitsraum meines Großvaters stand für seine Enkelkinder immer offen. Besonders gerne lauschten wir seinen Märchenerzählungen in der Rauchstube,“ so eine autobiografische Erinnerung Herzogs.

Vom „Tollhaus“ zum Museum

1913 wurde das Volkskundemuseum in der Grazer Paulustorgasse 11–13 gegründet. Zum Areal gehört die Kirche St. Antonius von Padua, die man auch durch die Museumsräume betreten kann. Einst befand sich hier ein Kloster. Später funktionierte man das Gebäude zum „Tollhaus“ um, in dem Kriminelle, Arbeitslose und politisch unliebsame Personen weggesperrt wurden. Danach wurde es zur psychiatrischen Einrichtung und zum Isolierspital. Museumsgründer Viktor Geramb wählte den vielseitigen Gebäudekomplex schließlich im Jahr 1913 als Standort. Er sammelte Spenden und versuchte über den Verkauf bäuerlicher Handwerkskunst die Einrichtung zu finanzieren. Mit dem Deutschnationalismus und dem Nationalsozialismus bekam das Museum eine zusätzliche Bedeutung. Tradition und Tracht wurden politisch aufgeladen. Völkische Ideologien und der Germanisierungwahn jener Zeit taten ihr Übriges. Nach 1945 hatte das Volkskundemuseum mit Kriegsschäden an Gebäude und Bestand zu kämpfen. Im Jahr 1949 übernahm Hanns Koren die Leitung.

„Kulturlos“

Das Museum hatte ganze 73 Jahre lang Bestand, bis es im Jahr 1986 wegen dringender Sanierungsmaßnahmen und des Fehlens der finanziellen Mittel für die Öffentlichkeit geschlossen werden musste. Museumsleiter Dieter Weiss konnte 1988 mit einer medienwirksamen Aktion eine Million Schilling Spenden lukrieren. Diese wurden in die Gebäudesanierung investiert, wodurch die Herzstücke des Museums, der Trachtensaal und die Rauchstube wieder zugänglich gemacht werden konnten. Doch die Mittel reichten bei Weitem nicht aus. Inmitten dieser aussichtslosen Lage nahm sich Heiner Herzog um das Vermächtnis seines Großvaters an. Er gründete die Arbeitsgruppe „Kulturlos“, um auf volkskulturelle Anliegen und die Situation des Museums aufmerksam zu machen.

Im Jahr 1994 wurde die „Erste steirische Kulturmesse“ im Heimatsaal des Museums veranstaltet. Bei dieser großen Publikumsmesse präsentierten sich Kulturschaffende und Kulturinstitutionen aus der gesamten Steiermark. Diese Aktion brachte erstmals wieder viele Menschen ins Haus und erzeugte öffentliche Wirksamkeit. Herzog stellte sein berufliches und privates Netzwerk in den Dienst der Sache. Seinen 60. Geburtstag nahm er als Anlass für einen großen Spendenaufruf. Die Rettung des Museums und seine Wiedereröffnung waren zu seiner Lebensaufgabe geworden. Mit der tatkräftigen Hilfe von Landeshauptfrau Waltraud Klasnic konnte das Volkskundemuseum im Jahr 2003 wiedereröffnet werden. Untrennbar mit der Geschichte der Museumsrettung verbunden ist der Verein „Freunde des Volkskundemuseums“, dem Herzog in seiner Anfangszeit als Obmann vorstand. Der Verein ist bis heute aktiv und unterstützt das Museum in ideeller und finanzieller Hinsicht. Mit Veranstaltungen, Publikationen, wissenschaftlichen Projekten sowie mit ihrer Öffentlichkeits- und Vernetzungsarbeit tragen Obfrau Friederike Weitzer, der neunköpfige Vorstand und alle beteiligten Mitglieder – quasi als Erben der Herzog’schen Rettungsaktion – die Arbeit des Volkskundemuseums bis heute mit. Aktuell hat der Verein ein neues Buch herausgebracht, das die wechselvolle Museumsgeschichte bis in die Gegenwart eindrucksvoll dokumentiert und mit zahlreichen Interviews hinter die Kulissen blicken lässt.