Ein Elternpaar sowie die Großmutter eines Säuglings, der im Sommer 2020 in Graz wegen zu wenig Nahrung offenbar verdurstet und gestorben ist, haben sich am Freitag im Grazer Straflandesgericht wegen grob fahrlässiger Tötung verantworten müssen. Alle drei fühlten sich nicht schuldig.Die Verteidigerin der Eltern schilderte, dass das Baby eine Neugeborenen-Sepsis sowie eine angeborene Nierenerkrankung gehabt habe: "Das hätte den Ärzten auffallen müssen."
Die Staatsanwaltschaft wirft der Familie vor, dem am 26. Juni geborenen Kind nach der Entlassung aus dem Spital im Juli 2020 "zu wenig Flüssigkeit zugeführt" zu haben. Dadurch sei der Säugling ausgetrocknet und am 23. Juli am Weg bzw. im Spital gestorben. Da die Kindesmutter nach dem Kaiserschnitt selbst mehrmals wegen der Gefahr einer Sepsis in Behandlung war, haben sich zu Hause der Vater sowie die Großmutter um den Buben gekümmert und ihn gefüttert. "Niemandem will aufgefallen sein, dass das Baby zu wenig Nahrung und Flüssigkeit aufnahm", schilderte der Ankläger im Eröffnungsplädoyer.
Als die Mutter wieder vom Spital nach Hause kam und der Zustand des Babys schlecht war, sei sie mit ihm ins Spital gefahren. Am Weg dorthin soll sie bemerkt haben, dass der Kleine stirbt, sagte der Staatsanwalt. Die gesetzten Maßnahmen im Krankenhaus waren dann "vergeblich". Der Bub starb vier Wochen nach der Geburt mit etwa einem halben Kilo Gewicht weniger als bei der Geburt. "Der Zustand muss sich über mehrere Tage entwickelt haben", ist der Ankläger überzeugt und meinte weiter, dass der schlechte Zustand "für jede normal mit einem Säugling betraute Person bemerkbar gewesen" sei.
Verteidigungslinie
Ganz anders sehen das die Verteidiger der Eltern und der Großmutter. Alle drei Angeklagten bekannten sich nicht schuldig. Es bestehe kein kausaler Zusammenhang mit dem Tod des Kindes. Es sei aus anderen Gründen gestorben, ist Anwältin Karin Prutsch überzeugt: "Die Mutter hatte schon in der Schwangerschaft eine Infektion, auch beim Kaiserschnitt. Und es bestand daher ein hohes Risiko einer Neugeborenen-Sepsis." Die Symptome des Kleinen hätten darauf hingedeutet. Typisch dafür sei ein "sehr schneller Krankheitsverlauf vom scheinbar gesunden hin zum todkranken Kind".
Neben dem Sepsis-Verdacht wies die Verteidigerin auch darauf hin, dass das Baby eine angeborene Nierenerkrankung gehabt habe. Zudem habe die Mutter Medikamente nehmen müssen, die sich über die Muttermilch negativ auf die Gesundheit des Kindes ausgewirkt hätten. Die Angeklagte selbst sei "nahe an einer Sepsis" gewesen, die Werte seien pathologisch gewesen. Dennoch habe offenbar niemand vom Stillen abgeraten. Prutsch kritisierte auch, dass "nicht einmal die Fachkräfte im Spital es geschafft haben, das Kind zu stabilisieren und aufzupäppeln". "Die Mutter hat alles versucht" und der Vater habe sich – aus Angst, das Kind mit Corona zu infizieren – möglichst ferngehalten, so die Verteidigerin.
Die Mutter gab bei der Befragung an, dass der Gesundheitszustand des Babys ihrer Ansicht nach bis zwei Tage vor dem Tod "normal" war: "Als ich gemerkt habe, dass etwas nicht stimmt, bin ich sofort ins Spital." Der berufstätige Vater gab an, dass er den Kleinen nur zweimal gehalten habe, immer mit FFP2-Maske, damit er ihn nicht mit Corona infizieren könne. Er schlief auch in einem anderen Zimmer als Mutter und Kind.
Manchmal bereitete er aber das Fläschchen zu – und habe sogar mehr als auf der Packung empfohlen gefüttert: "Ich hatte nie das Gefühl, dass das Kind zu wenig zu essen und zu trinken hatte." Er merkte aber auch an, dass er im Spital die Ärzte auf eine Beule am Bauch des Kleinen hinwies und das von den Spitalsmitarbeitern als "normal" und als Blähung abgetan wurde. Er habe auch erwähnt, dass seine Frau das Kind trotz der Infektion stillt: "Sie sagten, das soll sie weitermachen, es sei ja Muttermilch."
Die Großmutter gab vor Gericht an, dass sie sich immer dann um das Kind gekümmert hat, wenn ihre Schwiegertochter wegen der Kaiserschnittwunde im Spital war. Sie habe die Empfehlungen der Eltern befolgt und ihnen auch gesagt, wenn ihr etwas seltsam vorkam. So habe sie etwa der Mutter am Tag vor dem Tod des Buben gesagt, dass er sehr wenig Appetit gehabt habe. Sie betonte, dass sie selbst fünf gesunde Kinder aufgezogen habe.
Das Urteil fiel am Nachmittag: 9 Monate bedingt für die Mutter, sieben Monate bedingt für die Großmutter. Freispruch für den Vater – nicht rechtskräftig.