Während die türkis-blauen Koalitionsverhandler in Wien an einem Regierungspakt basteln und durchaus kontrovers das mögliche Aus für die Pflichtmitgliedschaft der Kammern debattieren, holt sich das "Team Kammern Steiermark" den Ball und geht in die Offensive. Um diese Debatte zu beenden.
Erstmals in der Steiermark und wohl auch in Österreich gibt es einen Schulterschluss so gut wie aller Kammerpräsidenten - von der Wirtschafts- und Arbeiter- bis hin zur Ärzte-, Notariats- oder Landarbeiterkammer. Einzig die Rechtsanwaltskammer blieb dem Termin fern, da sie in ihrer Funktion und Leistungserbringung nicht mit den anderen Kammern vergleichbar sei. Wie wohl Anwälte-Präsientin Gabriele Krenn betonte auch für die Pflichtmitgliedschaft in ihrer Kammer einzutreten. Im Team-Trikot brachen nunmehr also neun Präsidenten eine Lanze für die Sozialpartnerschaft in der Alpenrepublik.
"Streik in Sekunden zu messen"
WK-Präsident Josef Herk stellte sich mit seinen Kollegen gegen die Allmacht des Staates und den grenzenlosen Lobbyismus, der wie in Brüssel oder in den USA auf den Plan träte, wenn die Kammern in Österreich geschwächt werden. "Die Kammern gehören den Mitgliedern", die den Schutz derselben genießen und sonst dieser Allmacht ausgeliefert wären, ergänzte Ärztekammer-Präsident Herwig Lindner. AK-Präsident Josef Pesserl ließ keinen Zweifel aufkommen, dass das Kammerwesen und die Sozialpartnerschaft einen wesentlichen Teil zur Erfolgsgeschichte der Alpenrepublik beigetragen haben. "Sieben Jahrzente sozialer Frieden und Streikzeiten, die man nur in Sekunden messen kann", seien die positiven Folgen des steten Ausgleichs in der Gesellschaft, zwischen Staat, Arbeitgeber, Arbeitnehmer und anderen Interessensgruppen. Im schlimmsten Falle könne die Schwächung der Sozialpartnerschaft dazu führen, dass Betriebe Kollektivverträge nicht mehr übernehmen müssten: "Das würde das Lohndumping in Österreich eröffnen!"
Die makroökonomischen Folgen seien auch durch Studien belegt, versichert Pesserl weiter: "In Staaten mit Sozialpartnerschaft ist die Arbeitslosigkeit, vor allem die Jugendarbeitslosigkeit deutlich geringer, das Niedriglohnsektor sei deutlich kleiner, die Lohnentwicklung insgesamt besser. Auch das Wahren der Interessen, aber auch die Unterstützung der jeweiligen Berufsgruppen durch Serviceleistungen seien enorm wichtig, unterstrick Landwirtschaftskammer-Präsident Franz Titschenbacher.
"Kammern sind nicht immer bequem"
Ärztevertreter Lindner räumte ein, die Selbstverwaltung, der Interessensausgleich durch die Kammertätigkeit sei manchmal für die Regierenden mitunter "unbequem". Es sei aber ein notwendiger Ausgleich, der den sozialen Frieden in der Gesellschaft sichere.
Auch die Päsidenten Eduard Zentner (Landarbeiterkammer), Gerhard Kobinger (Apotheker), Gerald Fuxjäger (Ziviltechniker), Dieter Kinzer (Notare), Veroninka Scardelli (Zahnärzte) betonten die Wichtigkeit der Selbstverwaltung, der Pflichtmitgliedschaft und die Pflichtbeiträge.
Eine Urabstimmung unter allen Mitgliedern der Kammern zur Pflichtmitgliedschaft sei durchaus eine Variante, um den Druck zu erhöhen. Gefragt, warum man sich vor dem "freien Markt" fürchte, auf dem man Mitglieder durch seine Leistungen gewinnen müsse, antwortet AK-Präsident Pesserl: "Wir haben keine Angst, aber gibt es keine Verpflichtung ist es so wie mit einer Feuerversicherung. Gäbe es dazu keine gesetzliche Pflicht, würden viele ihr Heim erst versichern, wenn es brennt. Aber dann ist es zu spät." Außerdem sichere die Pflichtmitgliedschaft die niedrigen Beiträge: "Verdient jemand etwa 2200 Euro brutto, zahlt er für die AK monatlich nur 6,91 Euro."
Für die nächsten Wochen kündigten die Präsidenten auch eine Info- und Transparenzoffensive der Kammern an, die einen Tag der offenen Tür beinhalten werde. Mehr Infos zur Kampagne gegen die Abschaffung der Pflichtmitgliedschaft gibt es auch auf www.kammern.st.
Bernd Hecke