Es ist ein hochemotionales Thema: Eine junge Frau (20) mit Lernbehinderung bringt heuer am 15. Mai einen Buben zur Welt. Auch der Kindsvater ist mental beeinträchtigt. Sieben Tage später entzieht die Bezirkshauptmannschaft Murtal ihr die Obsorge und bringt den Säugling auf einen Krisenpflegeplatz unter.
Die Familie kämpft vor Gericht nun wie berichtet um die Obsorge. Immerhin lebe die 20-Jährige mit ihren Eltern und zwei Brüdern in einem Haus im Familienverband. Die Sozialabteilung des Landes gibt der Kinder- und Jugendhilfe der Bezirkshauptmannschaft Murtal nach Prüfung als Aufsichtsbehörde aber volle Rückendeckung: Die Entscheidung sei schlüssig und nicht zu beanstanden. Das Kindeswohl stehe im Vordergrund.
"Erinnert an das vorige Jahrhundert"
Dennoch gibt es Kritik. Für den Präsidenten des Dachverbands der steirischen Behindertenhilfe, Werner Gobiet, erinnert die Vorgehensweise „an das vorige Jahrhundert“: „Wenn geistig beeinträchtigte Menschen ein Kind bekommen und wir stets von Inklusion reden, muss die Behörde alles tun, um ausreichend Unterstützung anzubieten, damit das Kind in der Familie bleiben kann.“
Diese Versuche habe es sehr wohl gegeben, heißt es im Büro der zuständigen Landesrätin Doris Kampus (SPÖ): „Die Mutter ist länger in der Klinik behalten worden, weil man helfen wollte, dass die Mutter mit der Großmutter eine gute Versorgung sicherstellen kann.“ Auch zwei Dienste der Kinder- und Jugendhilfe seien als Assistenz angeboten worden. Erst, als nach einer Woche offensichtlich gewesen sei, dass Gefahr für das Kind im Verzug sei, habe man die Abnahme verfügt und den Buben auf einen Krisenpflegeplatz gebracht. Die Familie habe man da über die Abnahme informiert: Die Kindesmutter sei traurig gewesen, habe sich aber nicht geäußert, die Großmutter hätte dafür kein Verständnis gezeigt.
Abstill-Tabletten schon am zweiten Tag nach der Geburt
Ein quälendes Fragezeichen bleibt, das auch der Anwältin der Familie, Irmgard Neumann, keine Ruhe lässt: „Wenn man diese Woche über versucht hat, eine Lösung zu suchen, damit die Familie zusammenbleibt, warum hat die Kindsmutter schon am zweiten Tag nach der Geburt Abstilltabletten verabreicht bekommen?“ Auch erwecke das Bemühen der Behörde von einer Woche nicht den Eindruck, man habe alles versucht, auf um gelinde Mittel zu setzen.
Tatsächlich haben Kindesmutter und Großmutter gegen die Ärztin eine Anzeige wegen Körperverletzung eingebracht, weil der 20-Jährigen die Abstilltabletten ohne Information und gegen ihren Willen verabreicht worden seien. Die Staatsanwaltschaft Leoben hat die Anzeige eingestellt, „da die Verabreichung der zwei Stück Abstill-Tabletten auf Grund der Kindesabnahme (...) ärztlich indiziert war.“
Anwältin drängt auf rasche Entscheidung
Die Rechtsanwältin Neumann drängt im Obsorgeverfahren auf eine rasche Entscheidung im Rekursverfahren am Landesgericht Leoben: „Es geht hier doch darum, dass die Kindesmutter eine Bindung zu dem Buben aufbauen kann.“ Bis der Rekurs nicht erledigt ist, gibt es keine Entscheidung der Behörde, ob das Baby auf dem Krisenpflegeplatz bleibt, auf einen Dauerpflegeplatz oder doch zurück zur Familie kommt.
Seitens der KAGes (Steiermärkische Krankenanstaltengesellschaft m.b.H. ) verweist man darauf, dass man zu einem konkreten Fall aus Gründen des Datenschutzes keine Stellungnahme abgeben kann. Aber: Medikamente würden grundsätzlich nur nach ärztlicher Indikationsstellung verschrieben.