Es klingt beinahe wie im Film: Eine künstliche Haut zu entwickeln, die gleichzeitig Temperatur, Feuchtigkeit und Druck wahrnehmen kann. Und das etwa 20-fach besser und genauer als menschliche Haut. Genau für dieses Projekt erhält die Grazer Chemikerin Anna Maria Coclite vom Institut für Festkörperphysik der Technischen Universität Graz einen europäischen ERC-Grant in der Höhe von 1,5 Millionen Euro.
Die Haut ist ein zentrales menschliches Sinnesorgan. Mit ihr fühlen wir Feuchtigkeit, Temperatur und Druck – Sinneseindrücke, die als Signale an das Gehirn weitergeleitet werden. Die technische Nachahmung eines Systems wie der menschlichen Haut und ihrer Informationsverarbeitung stellt eine enorme Herausforderung in der Technologie intelligenter Materialien dar.
Diese enorm gesteigerte sensorische Auflösung des neuartigen Hybridmaterials wird mittels einer Vielzahl von Nanostäbchen auf einer Oberfläche erzielt. Der „smarte Kern“ dieser Nanostäbchen besteht aus einem Polymer, das auf Temperatur und Feuchtigkeit anspricht und sich dann ausdehnt. Diese Dickenänderung des Polymers erzeugt einen Druck auf seine Hülle, die Nanostäbchen, die darauf sensitiv reagieren und wiederum Stimuli auslösen. Das Hybridmaterial wird es auf 2000 Sensoren pro Quadratmillimeter bringen und damit auf räumliche Auflösungen weit unter einem Millimeter, wie dies etwa in unseren Fingerspitzen der Fall ist.
1,5 Millionen Euro für Forschung
Coclite, erfreut über die Auszeichnung mit einem ERC-Grant, erklärt: „Diese Förderung ermöglicht es uns, mit einer neuen Methode ein völlig neuartiges Material zu entwickeln, das gleichzeitig auf multiple Reize anspricht und als künstliche Haut für verschiedenste Anwendungen eingesetzt werden kann. Der Erfolg von „Smart Core“ wird Disziplinen wie die Biotechnologie, biologische Sensorik oder Tissue-Engineering maßgeblich beeinflussen.“
Anna Maria Coclite ist Assistenzprofessorin am Institut für Festkörperphysik der TU Graz und leitet das CVD (Chemical Vapor Deposition) Labor des Institutes. Coclite studierte Chemie an der Universität Bari, ihrer Heimatstadt. Nach ihrer Promotion 2010 war sie drei Jahre lang als Postdoc am Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Boston tätig, bevor sie 2013 an die TU Graz kam. Anna Maria Coclite erhielt 2014 ein Marie Curie Fellowship und im selben Jahr vom Wissenschaftsfonds FWF eine Forschungsförderung für das Projekt Pro-CVD, zusätzlich dazu erhielt sie bereits mehrfach von der TU Graz Anschubfinanzierungen für eingereichte Projekte.
Anna Maria Coclite ist die erste Forscherin an der Fakultät für Mathematik, Physik und Geodäsie mit einem ERC Starting Grant und zugleich die erste Frau mit einem ERC Grant an der TU Graz.