Dass sie eine hohe Auszeichnung verliehen bekommt, weiß Maria Kolesnikowa womöglich noch gar nicht. Die belarussische Flötistin, Kulturmanagerin und Politikerin, die morgen, Samstag, von der Kunstuniversität Graz ein Ehrendoktorat verliehen bekommt, befindet sich in ihrer Heimat in Einzelhaft und hat praktisch keinen Kontakt zur Außenwelt.
"Wir haben seit Februar keinen Kontakt zu Maria, anders als früher gab es weder es Briefe, Anrufe oder Gefängnisbesuche ihres Anwalts", erklärte ihre Schwester Tatjana Chomitsch am Mittwoch in einem Telefonat mit der APA. Erklärt werde das in der Justizvollzugsanstalt für Frauen in Gomel damit, dass Maria mit uns nicht reden wolle und auch ihren Anwalt nicht sehen wolle. Informationen über ihre Schwester gelangten deshalb nur bruchstückweise von anderen Personen nach außen, klagte sie. Ihr sei bekannt, dass Kolesnikowa wie auch andere prominente politische Gefangene seit Februar oder März 2023 in Einzelhaft sei. "Sich mehr als sieben Monate in einer Einzelzelle aufzuhalten und keine Möglichkeit zu haben, mit anderen Personen zu kommunizieren, ist eine Form von Folter", sagte Chomitsch.
Politische Aktivität erst spät gestartet
Dass die 1982 geborene Kolesnikowa dereinst zu einer führenden Vertreterin des Widerstands gegen das autoritäre Regime von Aleksander Lukaschenko avancieren würde, hatte sich erst im Präsidentschaftswahljahr 2020 abgezeichnet. Nachdem sie sich lange nur der Musik widmete und zehn Jahre in Stuttgart verbrachte, kehrte sie zurück nach Belarus zurück, in einer Zeit einer politischen Liberalisierung, mit der der belarussische Langzeitpräsident Lukaschenko eine wohl wirtschaftlich motivierte Annäherung an den Westen erreichen wollte.
2020 wurde Kolesnikowa zur Leiterin des Wahlkampfteams von Banker Babariko ernannt. Nach der Verhaftung Babarikos gründete sie das legendäre Frauentrio mit Veronika Zepkalo und Swetlana Tichanowskaja, das im Sommer 2020 eine äußerst erfolgreiche Wahlkampfkampagne hinlegte.
Massive Wahlfälschungen und elfjährige Haftstrafe
Massive Wahlfälschungen sorgten nach den Wahlen am 9. August 2020 zu öffentlichen Protesten, die vom Regime des seit 1994 herrschenden Lukaschenko brutal niedergeschlagen wurden. Während Tichanowskaja und Zepkalo die Möglichkeit nutzten, ins Ausland zu fliehen, widersetzte sich Kolesnikowa äußerst mutig. Nachdem sie am 7. September 2020 von unbekannten Vertretern des Regimes entführt worden war, vereitelte die belarussische Staatsbürgerin eine Abschiebung in die Ukraine, indem sie ihren Reisepass zerriss. Kurz danach wurde sie offiziell festgenommen und ein Jahr später für "Aufrufe zu Handlungen gegen die nationale Sicherheit" zu elf Jahren Haft verurteilt.