Im Fall Georg Polic ist ein Urteil gefallen. Nach einem jahrelangen Rechtsstreit mit der steirischen Krankenanstaltengesellschaft (Kages) entschied der Oberste Gerichtshof (OGH) in letzter Instanz zugunsten des heute 18-Jährigen. Polic bekommt die Kosten für die Behandlung seiner spinalen Muskelatrophie zugesprochen (wir berichteten). Die Kages ist verpflichtet, 210.000 Euro an den Patienten zu bezahlen.

Bis jetzt musste die Familie selbst für die Behandlungskosten aufkommen. Die Spinraza-Spritze gehört zur teuersten Arznei weltweit. In Österreich kommen pro Jahr etwa elf Kinder mit der Muskelkrankheit zur Welt. Auch Georg Polic leidet an dieser seltenen Erkrankung. Pro Injektion musste die Familie Polic 77.000 Euro bezahlen, um Georg behandeln zu lassen – finanziert mithilfe von Spenden. Alle vier Monate muss der 18-Jährige zur Behandlung, sonst könnte der rasante Muskelschwund dazu führen, dass er keine Luft bekommt und erstickt.

Möglicher Präzedenzfall

Die Kages verweigerte anfangs eine Behandlung, weil mit dem Medikament bisher vor allem Babys und Kleinkinder behandelt wurden. Aber in den letzten Jahren habe man "kontinuierlich daran gearbeitet, sicherzustellen, dass Patienten, die darauf angewiesen sind, Zugang zu dieser Behandlung erhalten", heißt es.

Trotzdem könnte der Fall Polic jetzt vieles ändern. "Wir haben mit diesem Urteil eine richtungsweisende Entscheidung durchgesetzt und es zum ersten Mal in Österreich geschafft, dass eine einstweilige Verfügung erlassen werden kann, um eine medizinisch notwendige Behandlung für ein Patientenkollektiv durchzusetzen", sagt Karin Prutsch, die Anwältin der Familie.

"Ökonomische Verschreibweise"

Dass das Urteil im Fall Polic einen Präzedenzfall geschaffen hat, sieht auch Rechtsexpertin Nora Melzer von der Uni Graz. "Bei ähnlich gelagerten Fällen könnte das Medikament künftig vermehrt zur Anwendung kommen", sagt Melzer. Trotzdem würde die "ökonomische Verschreibweise" nach wie vor eine wichtige Rolle spielen, wie die Expertin erklärt: "Bei so teuren Medikamenten muss die Behandlung in Relation zu anderen potenziellen Kosten gesetzt werden, die ohne Verabreichung der Spritze entstehen würden. Das sind etwa Rettungstransporte, möglicherweise mit einem Hubschrauber, vermehrte Krankenhausaufenthalte mit sonstigen Spezialbehandlungen, frühere oder intensivere Pflegebedürftigkeit." Sollte die betroffene Person durch die Behandlung ein "selbständigeres Leben" führen können und dadurch "dem Gesundheitssystem viel Geld erspart werden", könnten Patienten in ähnlichen Fällen das Medikament verabreicht bekommen.

Das aktuelle Urteil des OGH betrifft in erster Linie den Schadensersatz. Das an sich sei laut Melzer kein Präzedenzfall, es müsse weiterhin von Patient zu Patient geprüft werden. "Das ist keine Verbandsklage, wo es mehrere Personen gibt, bei denen ein Schaden entstanden ist. Das kann je nach Fall stark variieren."