Ein tödlicher Stich in den Hals eines Mannes in Graz hat seit einem Jahr die Ermittler und das Gericht beschäftigt: Der 64-Jährige, der vor einem Jahr im Streit seinen Gegner getötet haben soll, musste sich zuerst wegen grob fahrlässiger Tötung infolge einer Notwehrüberschreitung verantworten. Doch die Richterin fällte ein Unzuständigkeitsurteil, also fand am Mittwoch im Straflandesgericht ein Prozess wegen Mordes statt. Der Angeklagte blieb bei seiner Notwehrversion und fühlte sich darüber hinaus nicht schuldig. Jetzt wurde er zu einem Jahr Haft, davon acht Monate bedingt, verurteilt.
"Freundschaft plus"
Die Dreiecksgeschichte, die zum Tod eines Mannes geführt hatte, war kompliziert: Der Angeklagte hatte 2020 eine junge Frau kennengelernt, die drogen- und alkoholabhängig war und von ihrem damaligen Freund misshandelt wurde. Er nahm sie aus Mitleid bei sich auf und es entstand eine Freundschaft. Irgendwann kam eine sexuelle Beziehung dazu, der 64-jährige Taxilenker bezeichnete den Status als "Freundschaft plus", eine echte Beziehung sei es nie gewesen.
Tödlicher Streit
Die Frau lernte in Therapie einen jungen Mann (34) kennen, der bald zu ihr zog. "Sie hat sich immer beschwert, dass er sie geschlagen hat", erzählte der Beschuldigte. Die Beziehung zwischen ihm und der Frau blieb auch bestehen, obwohl ihm klar war, dass sie mit dem Jüngeren zusammen war. Im September 2022 gab der Angeklagte der Polizei – er hatte früher für die Behörde als Dolmetscher gearbeitet – einen Tipp, dass der junge Mann eine Drogenlieferung erwarten würde. Kurz darauf kam es zum tödlichen Streit, nachdem der 64-Jährige die beiden wieder einmal zusammen auf der Straße gesehen hatte.
Der Beschuldigte war damals mit seinem Wagen stehengeblieben, es kam zu einer lauten Auseinandersetzung, trotzdem fuhr er das Paar nach Hause. "Warum sind Sie mit in die Wohnung gegangen?", wollte Richterin Julia Riffel wissen. "Ich habe so ein Gefühl gehabt", lautete die Erklärung. Was der Jüngere zu ihm gesagt hat, habe er nicht verstanden, denn "sein Englisch verstehe ich nicht". Die Stimmung bezeichnete er als "ruhig".
Die Frau sagte dagegen aus, "die zwei haben Vollgas gestritten" – "Das stimmt nicht", wehrte der Beschuldigte ab. Er habe nur gesagt, dass die Wohnung "wie ein Saustall ausschaut". Daraufhin sei der andere aufgestanden und habe ihn mit einer Hand gewürgt und in den Schwitzkasten genommen. "Er hat ganz fest gedrückt, die Finger haben
sich wie Blei angefühlt auf meinem Hals." Er hatte "panische Angst" und habe das Messer ergriffen und zugestochen. "Ich weiß nicht, wie das passiert ist", schilderte er. Der Stich durchtrennte die Halsschlagader, "das Opfer verstarb binnen weniger Minuten am Tatort", beschrieb Staatsanwältin Katharina Doppelhofer.
"Stich war ein Reflex"
Als erste Zeugin wurde die Frau gehört, um die der Streit entbrannt war und die bei der Tat dabei war. "Er war einfach da für mich, aber die große Liebe war es nicht", beschrieb sie ihr Verhältnis zum Angeklagten. "Er wollte mich zum Schluss heiraten und hat gemeint, dann bin ich abgesichert." Sie wollte aber nicht, sie blieb lieber bei dem jüngeren Mann, obwohl er sie immer wieder schlug: "Bei ihm konnte ich einfach nicht nein sagen", erklärte sie dem Gericht. Der 64-Jährige habe ihr zu dieser Zeit bereits dauernd nachspioniert und sei immer wieder in ihrer Wohnung aufgetaucht. Der Streit, der der Tat vorausging, sei heftig gewesen, aber nicht lang. Der Stich des Angeklagten sei ihrer Meinung nach "ein Reflex" gewesen. "Ich glaube nicht, dass er ihn umbringen wollte. Er war zwar zum Schluss ein Arschloch, aber umbringen wollte er ihn nicht", war die Frau überzeugt.
Das Urteil fiel am Mittwochabend, die Geschworenen befanden, dass es sich um grob fahrlässige Tötung gehandelt habe. Das Urteil lautete auf ein Jahr Haft, davon acht Monate bedingt. Da der 64-Jährige die Strafe mit der Untersuchungshaft bereits verbüßt hat, wurde er sofort enthaftet und durfte nach Hause gehen. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.