Der Skandal rund um das salmonellenverseuchte Hühnerfleisch aus Polen, das unter anderem für einen Todesfall in Kärnten sorgte, sorgt nun auch innerhalb der Land- und Geflügelwirtschaft für Diskussionen. Der Verein "Land schafft Leben" mit Sitz in Schladming kritisiert den derzeit gängigen Import von Fleisch aus dem europäischen Ausland und den gleichzeitigen Export von Geflügel aus Österreich. Mindestens 30 Prozent des Hühnerfleisches in der Gastronomie wird im Moment aus Ländern wie Polen, Tschechien und der Ukraine importiert, schätzt der Obmann der österreichischen Geflügelwirtschaft, Markus Lukas.
Ein Prozentsatz, der laut "Land schafft Leben" unverhältnismäßig hoch sei, wie auch Lukas bestätigt. "Im Moment liegen wir in Österreich bei ungefähr 84-prozentiger Selbstversorgung bei Mastgeflügel", sagt der Obmann, der selbst einen Mastbetrieb mit 52.000 Hühnern in Mureck in der Südoststeiermark führt. Ungefähr 85 Prozent der österreichischen Masthühner gehen an die Lebensmittelindustrie, der Rest wird auf die Gastronomie und Systemgastronomie verteilt. "Die Kantine im LKH verwendet unter anderem nur mehr Hendln aus der Steiermark", weiß der Obmann.
Unterschied von 20 bis 50 Cent
Die österreichischen Gesetze für Geflügelhaltung seien so streng wie nirgends sonst in Europa, so Lukas. "Für importiertes Fleisch gelten diese Gesetze allerdings nicht", ärgert er sich. So darf die Besatzdichte in Österreich in der Masthuhnhaltung maximal 30 Kilogramm pro Quadratmeter betragen, in Polen sind es 42 Kilogramm – ein Wert, der noch den EU-Vorgaben entspricht.
Das Argument des niedrigeren Preises für Fleisch aus dem Ausland will Lukas so nicht stehen lassen. "Der Unterschied ist nicht so groß, wie manche Gastronomiebetriebe tun." Ungefähr ein Drittel höher sei der Preis für österreichisches Hühnerfleisch, so der Obmann. "Bezahlt man für Geflügelfleisch aus dem Ausland vier Euro pro Kilo, sind es in Österreich um die sechs Euro", rechnet er vor. Teilt man das Kilogramm auf fünf Portionen in der Gastronomie auf, entstehe ein Preisunterschied von 20 bis 50 Cent. "Der Preis für Strom und Koch bleibt schließlich gleich, egal woher das Fleisch kommt", so Lukas, der zudem überzeugt ist, dass Konsumentinnen und Konsumenten bereit wären, mehr Geld für heimisches Fleisch auszugeben. "Auch wenn das Gericht dann einen Euro teurer wäre, würde sich das Gericht wahrscheinlich dennoch sogar besser verkaufen."
"Könnte so einfach sein"
Im Ö1-"Morgenjournal" sprach sich Gastronomie-Spartenobmann Mario Pulker gegen eine verpflichtende Herkunftsangabe in Restaurants aus, jedem Betrieb müsse die Entscheidung selbst überlassen sein. Eine Meinung, die Lukas nicht teilt. "Es könnte so einfach sein. Bei der verpflichtenden Angabe der Allergene beschwert sich auch niemand, diese Gegenwehr erweckt nur den Eindruck, dass Betriebe etwas zu verheimlichen haben." Als Paradebeispiel nennt Lukas den Penzinghof in Tirol, der in der Speisekarte auch die Bauern vorstellt, von denen die Produkte stammen. Ab 1. September 2023 gilt vorerst nur in der Systemgastronomie eine Kennzeichnungspflicht des Herkunftslandes. "Es ist ein kleiner Schritt in die richtige Richtung, aber nicht, was wir uns vorgestellt haben", sagt Lukas.
Dass Österreich alleine den Bedarf nicht abdecken könne, bestreitet der Obmann der österreichischen Geflügelwirtschaft. "Wir exportieren derzeit 40 Prozent unserer Biomasthühner nach Deutschland, weil dort keine oder wenige Biomastbetriebe verfügbar sind. Würde bei uns mehr gebraucht werden, würden diese Hühner auch in Österreich bleiben." Zudem könne binnen weniger Monate die Produktion um zehn Prozent hochgefahren werden, sagt er. "Wir schöpfen unsere Kapazitäten im Moment nicht aus und haben viel Leerstehzeit in den Mastbetrieben. Wir könnten also ohne Weiteres mehr produzieren, ohne das Tierwohl dabei einzuschränken."
Maßnahmen gesetzt
Dass die heimische Geflügelindustrie nach dem Skandal in einem südoststeirischen Mastbetrieb Ende 2022 an Vertrauen eingebüßt hat, sieht Lukas nicht. "Laut der Rückmeldung des Handels wurde seitdem gleich viel heimisches Fleisch verkauft." Zudem seien in den vergangenen Monaten dementsprechende Maßnahmen, unter anderem Schulungen für Geflügelbauern, gesetzt worden. "Ich bin auch immer noch in Kontakt mit dem VGT (Anm. der Redaktion: Verein gegen Tierfabriken), der die Bilder damals veröffentlicht hat. Sollte so etwas noch einmal vorkommen, nehme ich den Betrieben höchstpersönlich jedes einzelne Siegel weg."