Ein Fehlgriff, mehrere Meter freier Fall, bis die Verankerung greift und die Sicherung endlich auslöst. Derart stellt man sich einen Unfall am Klettersteig vor. Doch viel häufiger müssen die Einsatzkräfte inzwischen ausrücken, weil die Personen schlicht zu erschöpft sind. Erst diese Woche wurde ein deutscher Urlauber aus einem Klettersteig in der Ramsau geborgen: Der Steig war nass, der Mann unterschätzte die Anstrengung.
Zehn Prozent mehr Einsätze jährlich
„Manche bestellen sich ein Klettersteigset im Internet und gehen einfach los, obwohl sie nicht mal wissen, wie sie den Gurt anziehen“, erzählt Stefan Schröck. Leiter der Bergrettung Steiermark. „Ein Kletterklettersteig bietet subjektive Sicherheit.“ Die Gefahr wird nicht ernst genommen, was bei Gewitter zum Verhängnis werden kann. Schröck empfiehlt zuerst einen Kurs zu absolvieren oder sich von geschulten Bekannten instruieren zu lassen. Und sich vor einem alpinen Unterfangen gut über die Bedingungen, Wetterlage, Route etc. zu erkundigen.
Denn immer häufiger müssen Personen geborgen werden, die unverletzt sind. „Zu wenig Vorbereitung, da ist die Krux begraben. Und dann folgt die Erschöpfung, weil man die eigenen Fähigkeiten überschätzt und das Gelände unterschätzt hat.“ Einen deutlichen Anstieg an Bergrettungseinsätzen beobachtet die freiwillige Einsatzorganisation seit zehn Jahren, pro Jahr sind es etwa um zehn Prozent mehr.
Heuer wurde die Bergrettung bisher bereits 1407 Mal gerufen – im ganzen vergangenen Jahr waren es 1870 Einsätze. So hieß es beim ersten Anruf für die Interviewanfrage in der Zentrale vom Sekretariat: „Die dafür Zuständigen sind leider alle grad im Einsatz.“ – „Alle?“ – „Ja, alle.“
Das Schöne: Sportarten im alpinen Gelände werden ständig beliebter. Das Problem: Fehlende Vorbereitung, schlechte Ausrüstung. Egal, ob Mountainbiken, E-Biken, Paragleiten, Klettersteig, Wandern, Klettern, Tourengehen oder Schneeschuhwandern – überall sind die Bergretterinnen und Bergretter gefragt.
Gefährliches Halbwissen
Viel „gefährliches Halbwissen“ verbreite sich im Netz. Schröcks Tipp: Die Quelle kontrollieren, vor der Tour einen Bergführer fragen oder buchen. „Je besser ich vorbereitet bin und meine eigenen Fähigkeiten in Einklang bringe mit den Vorgaben, desto sicherer bin ich unterwegs“, betont er. Denn einige Einsätze ließen sich durch eine bessere Tourenplanung vermeiden. „Viele geborgene Personen sind dankbar für unsere Hilfe, aber manche sind beratungsresistent. Wir haben sogar ein paar Stammgäste“, berichtet Schröck.
Ehrenamtlich im Einsatz
Wichtig zu betonen: Alle 1900 steirischen Bergretterinnen und Bergretter (zwischen 16 und 65 Jahren) an den 53 Ortsstellen üben diese Tätigkeit ehrenamtlich aus. Das heißt: Sie sehen keinen Cent für ihr Engagement, arbeiten hauptberuflich in herkömmlichen Jobs. Je nach Arbeitgeber werden sie leichter oder schwerer freigestellt. Schröck: „Samstagabends finden sich mehr Personen für einen Einsatz als Montagfrüh.“
Der Eigenschutz der eigenen Mannschaft gehe dabei vor. Wenn beispielsweise ein starkes Gewitter tobe, könne man niemanden in einen Klettersteig einsteigen lassen. Dann gilt es, die Gewitterzelle abzuwarten, bevor die Rettungsaktion starten kann. Außerdem können Bergungen einige Zeit dauern, da die Retter ja meist selbst erst den Berg erklimmen müssen.
Teure Einsätze
So geschehen etwa Ende Juli. Neun Holländer waren ohne Verpflegung und falsch gekleidet in unbekanntes Terrain aufgebrochen, und vom Weg abgekommen. Sie lösten einen nächtlichen Großeinsatz aus. Um die Geschwister gesichert ins Tal zu bringen, mussten Seilversicherungen angebracht und Haken gebohrt werden. Laut Schröck sei es dabei egal, ob Einheimischer oder Urlauber, das passiere bei Österreichern wie Touristen.
Solche Suchaktionen gestalten sich außerdem sehr teuer. Wer in Österreich bei einem alpinen Verein, wie dem Alpenverein, Mitglied ist, der ist versicherungsmäßig gedeckt. Auch ÖAMTC, diverse Kreditkarten etc. sichern Bergrettungseinsätze ab. Bei Unfällen am Berg muss dann die Frage der Fahrlässigkeit geklärt werden. Hierzu arbeiten Bergrettung und Alpinpolizei eng miteinander zusammen.
Zusammenarbeit mit Alpinpolizei
Heimo Kohlbacher von der Landespolizeidirektion Steiermark, der auch ausgebildeter Bergretter ist, war jahrelang bei der Alpinpolizei Hochsteiermark aktiv: „Wenn jemand verletzt ist, werde ich als Alpinpolizist eher das Umfeld beobachten: Gibt’s wo ein Problem? Beispiel Klettersteig, hat es ein loses Seil gegeben? Gibt es aus polizeilicher Sicht den Verdacht auf ein Fremdverschulden? Wie sind die Bergsteiger ausgerüstet?“ Auch die Identität kann die Alpinpolizei erheben. Die Unterlagen werden dann an die Staatsanwaltschaft geschickt. „Im Einsatz ist man (Anm. Bergrettung und Alpinpolizei) blind aufeinander angewiesen. Das funktioniert in der Steiermark sehr gut“, sagt Kohlbacher, und schließt sich Schröcks Appell an: „Bitte vor einer Tour die Planung gescheit machen!“