Es beginnt als harmlose Turtelei, schnell entsteht daraus ein heißer Flirt, die Hormone schießen in den Körper der jungen Betroffenen. Ich kriege ein Nacktfoto geschickt? Ja, dann kann ich ja auch eins schicken! Was ist schon dabei? Das Problem: Am anderen Ende sitzt niemand, nur ein Fakeaccount.

Die Jugendlichen bekommen nach der ersten Kontaktaufnahme ein Nacktfoto von einer jungen, attraktiven Frau von einem Fakeprofil geschickt, sie schicken daraufhin eines retour. Bald darauf folgt die Erpressung: Wenn nicht eine gewisse Summe Bargeld in einer gewissen Zeitspanne überwiesen wird, werden alle Nacktfotos oder -videos online gepostet oder an Bekannte der betroffenen Person verschickt.

Steigerung um fast 40 Prozent

Die Fälle von jungen Menschen, die Opfer einer solchen Falle werden, nimmt laut der Notrufnummer "147 Rat auf Draht" drastisch zu. Die Anfragen zu Beratungen stiegen bei der Helpline im ersten Halbjahr 2023 im Vergleich zum zweiten Halbjahr 2022 um 39,05 Prozent von 105 auf 146 Beratungen.

Dreistere Täterbanden

"Früher wurde etwas zugewartet, jetzt werden oft umgehend nach der Bekanntgabe der Erpressung Bilder an eine oder mehrere Personen aus dem Bekanntenkreis der Betroffenen geschickt, um die Ernsthaftigkeit des Unterfangens zu untermauern", sagt Birgit Satke, Leiterin von "Rat auf Draht". Die Anrufe kommen aus ganz Österreich, aus jedem Bundesland.

Betroffen sind sowohl Buben als auch Mädchen, besonders von 13 Jahren bis ins junge Erwachsenenalter. Der erste Kontakt mit ihnen wird gern über das soziale Netzwerk Snapchat aufgenommen, weil hier Fotos oder Videos nicht lange gespeichert werden können. Die Täterbanden scheinen aber einen Weg zu finden. Auch Instagram wird häufig herangezogen. Wenn Bilder wie Nacktfotos gepostet werden, sollte man sich direkt bei den Plattformen melden. Laut dem neuen Kommunikationsplattformengesetz müssen strafbare Fälle innerhalb von 24 Stunden gelöscht werden.

Aufklärungsquote gering

Denn die Täter selbst auszuforschen, ist fast unmöglich. "Es ist sehr schwierig, dahinterzukommen, wer es ist. Die Anzeigen nehmen zwar zu und landen dann bei uns, aber die Täterbanden sitzen oft unerkannt irgendwo im Ausland", sagt Christian Kroschl, Sprecher der Staatsanwaltschaft Graz.

Laut Polizeilicher Kriminalstatistik 2022 wurden seit 2017 jährlich zwar insgesamt viel mehr Delikte in dem Zusammenhang gemeldet und erfasst, doch die Aufklärungsquote nimmt ab. Und: "Wahrscheinlich gibt es noch viel mehr Fälle, aber auch nicht jeder wird zur Anzeige gebracht, weil viel Scham damit verbunden ist", meint Kroschl.

Hasspostings, Cyber-Grooming

Die zweitgrößte Problematik, vor dem Rat auf Draht warnt, ist Cyber-Grooming. Hierbei werden Kinder oder Jugendliche in eine Falle gelockt, um sie online sexuell zu belästigen oder später in der echten Welt sexuell zu missbrauchen. Daniela Grabovac, Leiterin der Antidiskriminierungsstelle Steiermark, weiß von sexuellen Drohungen und Übergriffen im Netz nur zu gut zu berichten: "So viele junge Mädchen bekommen Dick-Pics geschickt, also Penisbilder, mit eindeutigem Hinweis. Ganz vielen passiert das täglich."

Besonders im vergangenen Jahr sei das ein extrem großes Thema gewesen. Für viele Junge sei es schon so eine traurige Normalität, dass sie gar nicht mehr alles melden würden. Grabovac: "Die rechtliche Verfolgung ist schwierig, weil wenig Beweissicherung möglich ist."

Auch mit Hasspostings hat die Antidiskriminierungsstelle Steiermark zu kämpfen. "Wir gehen unter vor Arbeit", sagt Grabovac. Im ersten Halbjahr 2023 waren es 174 gemeldete Hasspostings, die sexualisierte Gewalt wie auch Dick-Pics beinhalteten. Darunter sind auch Vergewaltigungswünsche, in dem jemand ein Szenario schildert, wie er wen anderen vergewaltigen würde. "Das hört sich in etwa so an: Wir kommen bei dir vorbei und dann nehmen wir dich im Gangbang richtig durch", erzählt die Leiterin.

Hilfe

Gegen solche Inhalte hilft BanHate, eine App gegen Hasspostings und Gewaltverbrechen. Bei "Sextortion" rät Rat auf Draht wiederum zu "Take it down" für Personen unter 18 Jahren, durch die der Upload weiterer Bilder auf diversen Plattformen verhindert wird, und "Stop Non-Consensual Intimate Image Sharing" für Personen ab 18 Jahren. Wichtig aber im Vorhinein: Nicht jedem Profil trauen, schon gar nicht, wenn intime Fotos verlangt werden.