Die steirische Landwirtschaft leidet. Die Landwirtschaftskammer moniert, dass die Bäuerinnen und Bauern zu wenig Geld bekommen. Gleichzeitig steigen aber die Lebensmittelpreise immer weiter an, das Geld im Börsel wird nach einem Lebensmitteleinkauf oft knapp. Wie geht das zusammen? "Die Gewinne bleiben ganz woanders hängen", kritisiert Landwirtschaftskammerpräsident Franz Titschenbacher. Demnach bekommen die Landwirte nur einen verschwindend geringen Anteil an den Lebensmittelpreisen – bereits vor der Pandemie, aber auch jetzt seit der Teuerung blieb der Prozentsatz konstant niedrig.
Zum Vergleich: Der durchschnittliche Verbraucherpreis von 1,53 Euro für einen Liter Milch im Mai 2023 liefert den Landwirten 49,62 Cent. Das ist weniger als ein Drittel. Anderes Beispiel: Handelsübliche Äpfel kosteten 2022 durchschnittlich 2,12 Euro pro Kilo. Davon bekommen die Bauern rund 35 Cent – ein Anteil von 16,5 Prozent.
Hohes Bauernsterben
Einer der betroffenen Apfelbauern ist Manfred Reisenhofer. Der 54-Jährige betreibt eine 20 Hektar große Wirtschaftsfläche in Puch bei Weiz. Dort baut er neben Äpfeln auf acht Hektar auch Ribisel, Stachelbeeren und Zwetschken an. "Das ist ein zusätzlicher Markt, um die Überlebenschance etwas zu erhöhen", sagt er. Die Inflationsabgeltung sei bei den Bauern nicht angekommen. Kostendeckend sei es aber auch zuvor, bereits vor der Pandemie, nicht gewesen. "Das Bauernsterben ist hoch, für viele ist es finanziell nicht mehr rentabel." Freunde und Kollegen hätten ihre Betriebe aufgegeben, die sie teils über Generationen geführt haben. Auch Reisenhofer war kurz vor dem Hinschmeißen. Er hat weitergekämpft, doch findet klare Worte: "Wir sind näher dran am Ende der Landwirtschaft als wir denken, wenn es so weitergeht."
Auf der anderen Seite der Wertschöpfungskette sitzt der Handel. Christian Prauchner, Obmann des Bundesgremiums für Lebensmittelhandel in der Wirtschaftskammer, bringt daher einen weiteren Wert ins Spiel: Laut Statistik Austria haben sich die Nettounternehmensgewinne von landwirtschaftlichen Erzeugern um 24 Prozent erhöht. Doch er wolle kein weiteres Öl ins Feuer gießen: "Wir sind alle damit konfrontiert und haben mit unseren Erträgen zu kämpfen."
Kommentar zum Thema
Auch Prauchner greift das zuvor genannte Beispiel des Apfels wieder auf. Wie ist es möglich, dass von einem unverarbeiteten Produkt nur 16,5 Prozent an die Landwirte fließen? "Die enormen Kosten der Stickstofflager tragen Schuld daran. Damit können wir jedoch das ganze Jahr Äpfel anbieten." Doch muss man das in Österreich? "Ja, leider", sagt Apfelbauer Reisenhofer. "Die Konsumenten fordern das und wenn wir es nicht anbieten, wird es importiert. Zudem können wir so größere Mengen anbauen."
Wer sind die Preistreiber?
Zurück zum Preisdilemma. Ein großes Problem für die heimischen Landwirte stellen auch die Eigenmarken der Lebensmitteleinzelhändler dar: Die Inhaltsstoffe Käse und Milch kommen dabei laut AMA-Agrarmarktanalyse zu 40 Prozent nicht aus Österreich. "Auf der anderen Seite setzen 60 Prozent auf heimische Produkte", entgegnet Prauchner, der selbst drei Lebensmittelbetriebe mit 150 Mitarbeitern leitet. Für ihn sitzen Landwirtschaft und Handel ohnehin im gleichen Boot. Denn allgemein sei der große Preistreiber die Energie. Und wer noch, müsse eruiert werden.
In dieselbe Kerbe schlägt auch Titschenbacher: "Das gesamte System der Preisbildung bei den Lebensmitteln muss genau durchleuchtet werden, die tatsächlichen Preistreiber müssen ermittelt werden und aufbauend darauf, sind zielgerichtete Schritte zu setzen."
Erreichen will man das mit einer neuen Studie des unabhängigen Wirtschaftsforschungsinstituts (WIFO). Dazu wurden bereits Gespräche mit Agrarlandesrat Johann Seitinger (ÖVP) geführt. "Die Landwirtschaft braucht Fairness in der Wertschöpfungskette und einen dauerhaft größeren, kostengerechten Wertschöpfungsanteil, um die Herstellung von agrarischen Rohstoffen bei immer mehr und ständig steigenden Auflagen abzusichern", sagt Titschenbacher. Bereits 2020 gab es eine andere Studie des WIFO zur "Wertschöpfungskette Agrargüter und Lebensmittel", die besagte: Wenn jeder steirische Haushalt im Monat im Wert von 3,50 Euro mehr heimische statt internationale Lebensmittel kauft, schafft das in der Steiermark 500 neue Arbeitsplätze. "Daran wird sich nichts geändert haben", ist sich Titschenbacher sicher.