In der kleinen Ortschaft in der Marktgemeinde Riegersburg (Südoststeiermark) löste der Polizeieinsatz in der Vorwoche helle Aufregung aus. "Die ganze Straße bis ins Ortszentrum war abgesperrt, nicht einmal der Schulbus durfte mehr fahren. Überall standen bewaffnete Polizisten herum", beschreibt eine Bewohnerin die Szenen von Donnerstagfrüh. Das Einsatzkommando Cobra war mit einem beträchtlichen Aufgebot an Beamten und Fahrzeugen zu dem Bauernhof mitten im oststeirischen Hügelland angerückt.

Der Einsatz galt einer Rechtsanwältin, die sich vor einigen Jahren auf dem Anwesen mit zahlreichen Haustieren niedergelassen hat und dort weitgehend zurückgezogen lebt. "Wir ermitteln gegen die Frau wegen des Verdachts der betrügerischen Krida, der versuchten Verleumdung und auch schwerer gewerbsmäßiger Betrug steht im Raum", bestätigt Staatsanwaltschafts-Sprecher Christian Kroschl die Festnahmeandordnung. Mittlerweile wurde die U-Haft über die Verdächtige verhängt.

Berufsverbot verhängt

Der Fall ist brisant: Der "Rechtsanwältin und Verteidigerin in Strafsachen mit Notariats- und Richterprüfung" ist seit Dezember die Ausübung ihrer Tätigkeit von der Rechtsanwaltskammer Steiermark untersagt, wie der stellvertretende Kammerpräsident Michael Kropiunig auf Anfrage der Kleinen Zeitung erklärt. Man habe damit einen Beschluss des Disziplinarrats umgesetzt, gegen diesen habe die Anwältin Rechtsmittel eingelegt. Auf die Gründe für den vorläufigen Kammerausschluss, der einem Berufsverbot gleichkommt, will der Vizepräsident nicht näher eingehen. Eines hält er aber fest: "Die Anzeige stammt nicht von uns. Wir haben selbst erst erfahren, dass die Frau festgenommen worden ist."

Vizepräsident der RA-Kammer, Michael Kropiunig
Vizepräsident der RA-Kammer, Michael Kropiunig © Kanzlei Kropiounig&Kropiunig

Korruptionsvorwürfe

Etwas mehr zu den Verdachtsmomenten ist bei der Polizei zu erfahren. Auch nach ihrer Sperre soll die Steirerin für Klienten gegen Bezahlung als Rechtsvertreterin aktiv gewesen sein. Was aber schwerer wiegen dürfte: Sie habe in Schreiben an offizielle Stellen sowie auf Flugzetteln den Justizbehörden und der Rechtsanwaltskammer kriminelles Verhalten vorgeworfen, dabei auch konkrete Namen genannt.

Auf Facebook und in einschlägigen Telegram-Gruppen kursiert seit Tagen eine Nachricht, in der um Unterstützung für die Anwältin aufgerufen wird. Sie habe "Unregelmäßigkeiten im steirischen Rechtssystem, vor allem in der Rechtsanwaltskammer aufgedeckt und veröffentlicht", heißt es dort. Auch Richter und Rechtsanwälte sollen in die angeblich korrupten Machenschaften verwickelt sein, wird behauptet.

Der Vorwurf, einer staatsfeindlichen Gruppierung anzugehören, sei jedenfalls nicht Grund für die Festnahme gewesen, betonen die Behörden. Allerdings dürften Verbindungen in diese Szene und auch jene der Corona-Maßnahmenkritiker bestehen. Denn schon bei einer Amtshandlung im Jänner am Anwesen der Anwältin war die Polizei auf heftigen Widerstand gestoßen. Eine größere Gruppe von "Beschützern" hatte sich damals den einschreitenden Organen in den Weg gestellt. "Ein massiver Einsatz von Spezialkräften war unvermeidbar, nachdem teils bewaffnete Sympathisanten im Vorfeld einen Einsatz verhindert hatten und Hinweise auf vorhandene Schusswaffen gegeben waren", heißt es bei der Polizei.