Mit einem Stich in die Brust hat für einen jungen Burschen im Jänner der Maturaball in Graz geendet. Der 19-jährige Angreifer musste sich wegen versuchten Mordes am Freitag vor einem Geschworenengericht verantworten. Er fühlte sich nur schuldig der schweren Körperverletzung, die Tötungsabsicht bestritt er. Warum er überhaupt ein Klappmesser am Ball mitgehabt hatte, konnte er nicht schlüssig beantworten.
"Jugendliche reagieren in Konfliktsituationen zunehmend erbarmungslos", befand der Staatsanwalt gleich zu Beginn der Verhandlung. Der Angeklagte hatte am Maturaball seines Zwillingsbruders – er selbst machte eine Lehre – ein Klappmesser gezückt und einen Burschen in die Brust gestochen, weil dieser ihn angeblich "angemault" habe. Der 19-Jährige stand nach Angaben von Zeugen "mit leerem, totem Blick" bei einer Gruppe Jugendlicher, die er nicht kannte. Er zog das Messer, dann liefen die anderen weg und schrien "er hat ein Messer".
Opfer hat noch immer Albträume
Das spätere Opfer traf auf ihn und bekam den Stich ab. "Ich bin in einem Reflex zurückgesprungen", erzählte der Bursche. "Er habe erst realisieren müssen, was passiert ist." Nach Monaten muss er immer noch Medikamente nehmen, weil sein psychischer Zustand nach wie vor labil ist. "Es ist eine schreckliche Sache für mich gewesen", meinte er. Er habe Schlafprobleme und Albträume, aber er habe seinem Angreifer verziehen und gab ihm die Hand: "Ich bin sehr religiös geworden", schilderte er und meinte: "Jeder Mensch verdient eine zweite Chance."
Verteidiger Bernhard Lehofer beschrieb die angespannte Situation, in der sich der 19-Jährige befunden hat. Die familiäre Situation sei schwierig gewesen, die Stimmung am Tisch mit den Eltern und ihren neuen Partnern angespannt. "Ich erzähle Ihnen das, damit Sie nicht glauben, da sitzt ein Irrer", meinte der Anwalt in Richtung der Geschworenen. Die Tat sei "eine klassische Kurzschlussreaktion" gewesen, der Stich im übrigen "nur ein Ritzer", der zwei Zentimeter tief in die Haut gegangen war. Die Mordversuch-Anklage sei "für mich schwer verständlich", so Lehofer, da nach Angaben seines Mandanten nie eine Tötungsabsicht bestand.
"Es kann immer was passieren"
"Warum haben Sie das Messer auf den Ball mitgenommen?", fragte Richterin Andrea Schwinger-Wagner. "Aus Selbstverteidigungsgründen, ich wurde einmal ausgeraubt", meinte der Angeklagte. "Was soll am Maturaball passieren?", hakte Richter Christoph Lichtenberg nach. "Es kann immer etwas passieren", antwortete der Befragte. "Die Wahrscheinlichkeit ist dort gegen null", befand der Richter.
"Was haben Sie nach der Tat gedacht?", wollte die Richterin wissen. "Scheiße gelaufen", kam die ungeschönte Antwort des Angeklagten, der weggelaufen war und das Messer in der Tasche seiner Mutter versteckt hatte.
Schon am früheren Nachmittag fiel das Urteil: Die Geschworenen sprachen den Burschen vom Vorwurf des versuchten Mordes frei. Verurteilt wurde er zu 24 Monaten Haft, davon 16 bedingt, wegen schwerer Körperverletzung. das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.