Julian, du bist seit einem Monat als Praktikant in der Redaktion, wie bist du zum Journalismus gekommen?
Julian Gimplinger: Ich habe mich immer für Nachrichten interessiert. Als ich vom Start der Kleinen Kinderzeitung erfahren habe, war ich begeistert. Ich habe sie mir damals immer vorlesen lassen. Von da an war klar, dass ich Journalist werden will.
Mittlerweile studierst du an der FH Joanneum Journalismus und bist im sechsten Semester. Wie geht es dir damit?
Julian Gimplinger: Der Start war nicht einfach. Viele haben mir vom Journalismus-Studium abgeraten – mit der Begründung, dass es zu bildlastig sei. Tatsächlich geht es mir sehr gut. Generell werden die Materialien entweder barrierefrei zur Verfügung gestellt oder dahingehend bearbeitet. Sind sie barrierefrei, kann ich sie mit meinen Computerprogrammen über die Braillezeile lesen. Das bedeutet, dass der Text auf einem Gerät, das ich mit dem Laptop verbinde, in Blindenschrift ausgegeben wird. Sind Bücher oder Handouts nicht barrierefrei, werden sie am "Zentrum Integriert Studieren" der Uni Graz umgewandelt.
Die gewohnte Umgebung auf der FH hast du gegen den großen Newsroom der Kleinen Zeitung getauscht. Wie findest du dich hier zurecht?
Julian Gimplinger: Ich werde schon seit Jahren von einer Blindenlehrerin unterstützt. Darunter versteht man Mitarbeiter vom Odilien-Institut, die blinden und sehbehinderten Schülern von der Volksschule an helfen. Die Unterstützung wird später kontinuierlich reduziert. Vor meinem Start hier hatten wir ein sogenanntes Mobilitätstraining, sind also den Weg von meiner Wohnung über die Straßenbahn bis zu meinem Schreibtisch abgegangen.
Von dort aus nimmst du täglich an unserer digitalen Redaktionsabstimmung teil. Was ist da besonders spannend?
Julian Gimplinger: Mich interessieren vor allem die neuesten Themen. Daher informiere ich mich auch vor der Sitzung.
Und danach schreibst du deine Texte – zuletzt einen "Steirer des Tages". Wie sieht deine Arbeitsweise genau aus?
Julian Gimplinger: Ich schreibe auf der Laptop-Tastatur und lese den Text über die Braillezeile dann nochmals durch. Bei der Recherche im Internet kann ich aber nur Webseiten lesen, wenn sie barrierefrei sind – in diesem Fall kommt es unter anderem auf Formatierung an. Mein Bildschirmleseprogramm benötigt zum Beispiel Alternativtexte bei Fotos. Wenn ich im Internet surfe, kann ich grundsätzlich die Überschriften auf der Braillezeile lesen und klicke dann auf die Beiträge.
Nutzt du dafür auch die Möglichkeit der Sprachausgabe?
Julian Gimplinger: Bei der Arbeit nicht, denn mit der Braillezeile erkenne ich Rechtschreibfehler oder die Groß- und Kleinschreibung leichter. Für die Freizeit, wenn ich nur im Internet surfe, nutze ich die Sprachausgabe schon.
Du hast uns erzählt, dass du den Unterschied zwischen hell und dunkel wahrnehmen kannst. Was bedeutet das?
Julian Gimplinger: Ich erkenne Licht und große Umrisse, etwa Häuser.
Da drängt sich eine Frage auf, die so wahrscheinlich nur jemand stellen kann, der nicht betroffen ist: Wie nimmst du die Welt um dich, die Welt, von der du auch berichtest, wahr?
Julian Gimplinger: Da hole ich etwas aus: Eine Studienkollegin wollte mir einmal die Farben erklären. Sie hat Farben beschrieben, wie Gefühle. Es war schön, wie sie das gemacht hat. Trotzdem: Farben fehlen mir nicht. Und wenn jemand meine Lieblingsfarbe wissen will, ist sie Schwarz. Darunter kann ich mir etwas vorstellen. Abseits dessen greife ich viele Dinge an, die andere wohl nur ansehen. Und ich frage nach, bis ich die Zusammenhänge verstehe. Ich bin allerdings von Geburt an blind, ich kenne die Welt nicht anders. Daher kann ich über dieses Thema auch so locker reden.
Du bist noch bis 8. Juni bei uns. Was sind danach deine Pläne im Journalismus?
Julian Gimplinger: Das Schöne ist, jeder findet in diesem Bereich sein Feld, weil es durch Fernsehen, Radio, Zeitung oder Webblogs so vielfältig ist. Nach dem Praktikum werde ich aber zuerst noch den Master an der FH Joanneum anhängen. Danach könnte es in Richtung Radio oder Podcast gehen.