Die monatelangen Recherchen der Kleinen Zeitung, in denen sich unter anderem Kollegin Verena Bauer einer Konversionstherapie unterzogen hat, zogen gestern eine Welle an Reaktionen nach sich. In dem Beitrag wurde aufgedeckt, wie die lesbische Frau durch ihre Gesprächspartnerin von der Homosexualität "geheilt" werden sollte.

Hagiotherapie-Seminar findet in Zwettl statt

Die umfangreichen Recherchen zeigen auch: Heute, Freitag, soll ein dreitägiges Seminar von Vertretern dieser sogenannten Hagiotherapie im Bildungshaus in Zwettl, Niederösterreich, stattfinden. Bildungshaus-Chef Friedrich Schipper habe die Debatte um die umstrittene Therapie mitbekommen, bezeichnete sie zunächst als "Randdiskussion". Nun betont er aber, dass es sich um ein "Evangelisationsseminar" handelt: "Dieses steht in keinerlei Verbindung mit Konversionstherapien", sagt er am Tag nach den Berichten. Im Bildungshaus befasse man sich keinesfalls mit derartiger Therapie – und das in keinerlei Kontext. Daher werden auch keinerlei Therapeuten in Zwettl ausgebildet, so Schipper in einer schriftlichen Stellungnahme.

Verena Bauer war sechs Wochen lang Patientin in einer Konversionstherapie. Ihren Erfahrungsbericht lesen Sie hier.

Zwettls Bürgermeister Franz Mold (ÖVP) indes sei der Begriff "Hagiotherapie" nicht bekannt, auch nicht, dass in seinem Ort vermeintliche Therapeuten Homosexuelle "heilen" wollen, so Mold gegenüber der Kleinen Zeitung.
Dass derartige Behandlungen verboten werden sollen, wurde bereits 2019 einstimmig im Parlament eingebracht. Das Gesetz ist aber noch nicht fertig und liegt seit Oktober 2022 bei der Bundes-ÖVP, wie die Grünen nochmals kritisierten.

Opposition kritisiert Zögern von Schwarz-Grün

Kritik an diesem Zögern äußerte gestern auch die Opposition: SPÖ-Gleichbehandlungssprecher Mario Lindner ortete "politisches Kalkül", weil sich VP und Grüne nicht einigen können. Er ergänzt: "Solche Praktiken haben weder in Graz noch irgendwo anders in Österreich etwas verloren." Auch die Neos reagierten erbost auf die aufgedeckten Machenschaften. Deren LGBTIQ+-Sprecher Yannick Shetty sprach von "menschenverachtenden Therapien" – und: "Es ist wirklich ungeheuerlich, dass nach mehr als drei Jahren grüner Führung im Justizressort immer noch kein gesetzliches Verbot vorliegt."

Und: Hinter der Loretto-Bewegung, der sich Verena Bauer nach einer Empfehlung durch die "Therapeutin" hätte anschließen sollen, steckt eine Jugendbewegung aus dem "konservativen Bereich" der katholischen Kirche, sagte Theologe Frank Hinkelmann gestern. Sie wolle Menschen wieder an die Kirche heranführen, hieß es. Die Bischofskonferenz distanziert sich hingegen von derartigen Therapien.
Das Hagiotherapie-Zentrum war zu keiner Stellungnahme bereit.

In einer früheren Version dieses Artikels hieß es, dass beim "Evangelisationsseminar" auch Ausbildungen für "angehende Therapeuten" angeboten werden dürften. Das haben die Recherchen der Kleinen Zeitung ergeben. Das Bildungshaus Zwettl hat dies am Freitag in einer schriftlichen Stellungnahme allerdings dementiert.