Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaft ermitteln zu einer Nacktfoto-Affäre an einer Grazer Schule, die Staatsanwaltschaft Graz bestätigt einen Bericht der Kronen Zeitung. Ein Lehrer, der an einem Grazer Gymnasium unterrichtet, soll von minderjährigen Burschen Nacktfotos via Snapchat gefordert haben – und dafür auch Geld bezahlt haben. Nur, die Kinder wussten nicht, dass sie die Fotos ihrem Lehrer schickten. Der Snapchat-Account, an den die Fotos geschickt wurden, lautete auf einen Mädchennamen, wie die Staatsanwaltschaft bestätigte. Weiteres sei noch Gegenstand von Ermittlungen.
Aufgekommen ist die Sache, nachdem sich Schüler öffneten und an Vertrauenslehrer in der Schule gewandt haben, woraufhin der Direktor Anzeige erstattete. An die Eltern wurden auch Briefe herausgegeben, mit Kontaktdaten der Polizei, für weitere Verdachtsfälle. Die Dimension des Falls dürfte enorm sein.
Intensive Akutintervention an Schule
Sieben Schulpsychologen stehen derzeit im Akuteinsatz an der Grazer Schule. "Wir führen Kriseninterventionen in allen Schulklassen durch – wir identifizieren die Schüler, die einen höheren Unterstützungsbedarf haben, die direkt involviert sind, die belastet in die Situation hineingehen", so Josef Zollneritsch, Leiter der Schulpsychologie. Noch befinde man sich in einem Work-in-progess, es gehe noch darum, Betroffene darin zu bestärken, sich zu öffnen und "alles an- und auszusprechen. Es geht darum, diese Vertrauensdimension, die hier gebrochen wurde, wieder in den Griff zu bekommen", so Zollneritsch. "Wir arbeiten ganz intensiv, die Dimension können wir noch gar nicht erkennen." Die gesamte Schule sei betroffen: "Es ist ein gesamtsystemisches Problem", erklärt Zollneritsch. An normalen Unterricht sei derzeit nicht zu denken. Auch die Lehrkräfte, die ebenfalls betroffen sind, werden unterstützt - "dann in weiterer Linie auch die Eltern".
Die Staatsanwaltschaft Graz bestätigt Ermittlungen zur pornografischen Darstellung Minderjähriger (§ 207a Strafgesetzbuch). Ende letzter Woche fand bei dem Lehrer eine Hausdurchsuchung statt. Sichergestellte Datenträger wurden laut Staatsanwaltschaft noch nicht ausgewertet. Noch sei auch nicht vollständig geklärt, wie viele Opfer es unter den Schülern geben könnte. Der Pädagoge wurde dienstfrei gestellt. Am Mittwochnachmittag wurde beschlossen, das Dienstverhältnis mit dem Lehrer zu beenden. Die Betroffenheit an der Schule ist enorm, war der Lehrer doch äußerst beliebt und wurde als "Säule des Lehrerkollegiums" bezeichnet.
Die Fotos sollen über den Messengerdienst Snapchat übermittelt worden sein. Mit dieser Form der Übermittlung sind Fotos für den Empfänger nur eine bestimmte Anzahl von Sekunden lang sichtbar.
Was ist Cyber-Grooming?
Beim Cyber-Grooming missbrauchen meistens männliche Erwachsene das Vertrauen von Kindern und Jugendlichen, um an solche Inhalte zu kommen, erklärt Matthias Jax von Saferinternet. "Es geht darum, dass Erwachsene mit allen unterschiedlichen Tricks versuchen, genau zu solchen Bildern und Inhalten zu kommen." Mit Psychologie würden die Täter die meist Jugendlichen unter Druck setzen und sich mitunter auch als jemand ausgeben, der gleichaltrig ist. "Es gibt auch die Schiene, dass sie sich als Modelagenten oder Profigamer ausgeben", erklärt Jax.
Im digitalen Raum könne es schnell passieren, dass Kinder oder Jugendliche von jemandem angeschrieben würden, den sie nicht kennen. "Im familiären Bereich kann man das besprechen und einmal überlegen, ist dir das schon mal passiert? Die Wahrscheinlichkeit wird sehr hoch sein", so Jax. Dann könne man besprechen, wie die Kinder oder Jugendlichen darauf reagiert haben und gemeinsam Strategien entwickeln. "Kinder und Jugendliche haben teilweise schon gute Strategien entwickelt. 'Ein Mädchen hat einmal erzählt, dann schreibe ich, dass mein Vater Polizist ist.'", so Jax.
Sobald man sich aber wirklich in der Situation befinde, dass Inhalte bereits verschickt wurden, solle man unbedingt Hilfe von ExpertInnen dazuholen: "Es gibt unterschiedliche Anlaufstellen. Für erwachsene Bezugspersonen könnte eine erste Anlaufstelle Rat auf Draht unter 147 sein. Sie kennen auch die Stellen in den Bundesländern und verweisen ganz konkret und helfen bei den nächsten Schritten."
Familienministerin und Bildungsminister fordern volle Aufklärung
Auf die Causa reagiert haben am Mittwoch auch in einer Aussendung Familienministerin Susanne Raab und Bildungsminister Martin Polaschek (beide ÖVP). Die Medienberichte über den Vorfall seien "markerschütternd", sagte Raab. Kinder müssten sich darauf verlassen können, in der Schule und im Kindergarten gut aufgehoben und sicher zu sein. Hier brauche es volle Aufklärung und harte Konsequenzen. Und bestehende Gesetzeslücken müssten endlich geschlossen werden. Polaschek sagte unter anderem, "bei Missbrauch darf es null Toleranz geben. Als Bund haben wir bereits in der Vergangenheit mit vielen Partnern gemeinsam, umfassende Maßnahmen zur Missbrauchsprävention in Bildungseinrichtungen gesetzt - von speziellen bundesweiten Fortbildungen für Lehrerinnen und Lehrer bis hin zu pädagogischen Unterrichtsmaterialien und Unterstützung der Lehrkräfte durch Schulpsychologie und psychosoziales Unterstützungsmaterial".