Es war gestern der offizielle Abschluss und ein Höhepunkt eines Festjahres: In der Heilandskirche in Graz feierte am Reformationstag die evangelische Superintendenz Steiermark ihr 75-jähriges Jubiläum. Unter den vielen Festgästen aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft waren unter anderem Landeshauptmann Christopher Drexler, sein Vorgänger Hermann Schützenhöfer, die Grazer Bürgermeisterin Elke Kahr, Diözesanbischof Wilhelm Krautwaschl und dessen Vorgänger Egon Kapellari sowie Vertreter anderer Religionsgemeinschaften.

Sehr heterogene Pfarrgemeinden

1947 wurde die Superintendenz Steiermark gegründet – unter erheblichen Schwierigkeiten und auch Auseinandersetzungen, wie Festredner Michael Bünker, 2006 bis 2019 Bischof der Evangelischen Kirche Österreichs A. B., ausführte. Schon die erste Superintendenten-Wahl verlief nämlich konfliktreich. Das Verhältnis zwischen den sehr eigenständigen Pfarrgemeinden und den Superintendenten war nicht immer einfach, die Leitungsfunktion wurde oft zu einem "Widerspruchsmanagement". Denn gerade innerhalb der Steiermark sind die Pfarrgemeinden extrem heterogen, was auch zu Auseinandersetzungen führt: In Ramsau etwa sind 85 Prozent evangelisch, in der Oststeiermark hingegen weniger als 0,5 Prozent. Österreichs größte Pfarrgemeinde befindet sich mit Graz-Heilandskirche ebenso in der Steiermark wie die kleinste evangelische Gemeinde in Österreich – in Eisenerz. Auch die flächenmäßig größte Pfarrgemeinde Österreichs ist mit Murau-Lungau sogar landesgrenzenüberschreitend.

Bünker verwies auch auf die erheblichen Belastungen aus der NS-Zeit, eine Zeit lang war sogar fraglich, ob sich die evangelische Kirche überhaupt davon würde erholen können. Ein mutiges Schuldbekenntnis, damals vom Pfarrer der Grazer Heilandskirche wurde vor exakt 75 Jahren österreichweit nicht von der Synode doch nicht beschlossen – ein zahmeres kam zum Zug. Schwierig war auch die Frage, wie sich die evangelische Kirche in der Diaspora verhalten soll. Wichtige Punkte betrafen die Neuorientierung zu Österreich hin und der ökumenische Prozess.

Wissenschaft und Innovation

Superintendentialkurator Michael Axmann versuchte, den "typischen steirischen Protestanten" mit Augenzwinkern zu definieren – ein schwieriges Unterfangen. Und doch konnte er belegen, dass vieles, was die Steiermark ausmacht, eigentlich auch typisch protestantisch sei: Etwa im Bereich der Wissenschaft und Innovation, denn die Evangelische Kirche verstehe sich als Kirche, die "Glauben und Aufklärung zusammen denkt". Die Vielfalt sei auch ein Merkmal, das das Bundesland und die Evangelische Kirche teilen. "Wenn man sich reformatorischen Grundsätzen verbunden fühlt, ist die Steiermark ein gutes Land zum Leben."

Applaus für Festredner Altbischof Michael Bünker, ganz links
Applaus für Festredner Altbischof Michael Bünker, ganz links © Gerd Neuhold Elfi

Wechselvolle 500-jährige Geschichte

Superintendent Wolfgang Rehner hingegen beschrieb "in tiefer Dankbarkeit" die 500-jährige bedeutende und zugleich wechselvolle Geschichte der Evangelischen hierzulande. Immer wieder habe sich das evangelische Leben erneuert und in schwierigen Zeiten auch überdauert. Heute stehe die ökumenische Zusammenarbeit im Vordergrund, aus dem "Gegeneinander und später Nebeneinander" sei nun ein "Miteinander" geworden.

Vorgestellt wurde von der Kirchenhistorikerin Professorin Michaela Sohn-Kronthaler die Festschrift "Innovation und Tradition", ein Sammelband von insgesamt 29 Autoren. In drei Abschnitten geht es um die Geschichte der Superintendenz, um die vielfältigen Ausprägungen dieses Wirkens heute und um den Dialog mit anderen Religionsgemeinschaften.

Intellektueller Tiefgang

All dies griff dann Landeshauptmann Christopher Drexler in seiner Rede auf. Viele Jahre habe er im Landhaus gearbeitet, das ja einst als Bollwerk der (evangelischen) Landesstände gegen den katholischen, kaiserlichen Burgherren errichtet worden sei. Er sei beeindruckt von den "Tugenden der Evangelischen Kirche" wie etwa dem "intellektuellen Tiefgang und der unglaublichen Fähigkeit zur Selbstreflexion". Er dankte für den protestantischen Beitrag zur Gesellschaft: "Ohne Protestantismus wäre die Steiermark eine ärmere Region." Gerade in turbulenten Zeiten wie diesen sei es wichtig, die Dialogfähigkeit zu erhalten, Kirchen und Religionsgemeinschaften könnten hier "Zuversicht und Perspektiven" einbringen.

Mit dieser Veranstaltung am Reformationstag wurden auch die Feierlichkeiten zum 75-Jahr-Jubiläum abgeschlossen. Zahlreiche Veranstaltungen gab es dazu in der Steiermark, unter anderem ein Kirchentag gemeinsam mit der evangelischen Kirche in Slowenien im Juni in Bad Radkersburg und in Murska Sobota. Der evangelischen Kirche gehören in 35 Pfarrgemeinden etwa 35.000 Menschen an. 26 Pfarrerinnen und Pfarrer sind tätig.