Irgendwann hat Lisa Heiling aufgehört, zu zählen. Eine Bewerbung nach der anderen hat die 18-Jährige geschrieben und verschickt. "Mindestens 50 waren es sicher schon", schätzt sie. Die junge Grazerin hat eine Sehbeeinträchtigung und sucht einen Job. Ohne Erfolg, bis jetzt erhielt sie nur Absagen. "Sobald die Firmen Beeinträchtigung lesen, ist es offenbar vorbei."
Im März hat Heiling die Odilien-Fachschule für Informationstechnik (IT) abgeschlossen, spezialisiert darauf, bei IT-Problemen zu unterstützen. Im Fachjargon beherrscht sie "First- and Second-Level IT-Support". Allein in Graz sind in diesem Bereich derzeit mehr als hundert Stellen offen.
Sehbeeinträchtigung hindert nicht am Arbeiten
Heilings Sehkraft hat nach einer Gehirnhautentzündung im Babyalter zu schwinden begonnen. Eine Einschränkung bei der Arbeit mit dem Computer ist das allerdings nicht. "Ein bisschen einen Sehrest habe ich, mit dem kann ich hervorragend umgehen", sagt sie. Zu ihren Hilfsmitteln gehört eine Bildschirmlupe.
Praktika bei großen Unternehmen hat Heiling gemacht. In den letzten Monaten wurde sie gerade einmal zu zehn Vorstellungsgesprächen eingeladen. "Es tut einfach verdammt weh, denn ich werde für etwas verurteilt, für das ich nichts kann." Sie betont verzweifelt: "Ich bin nicht schlechter oder langsamer als jemand ohne Behinderung."
Großteil der Firmen zahlt lieber als einzustellen
Menschen wie Lisa Heiling haben es am Arbeitsmarkt besonders schwer. Während die allgemeine Erwerbsquote der Steirerinnen und Steirer bei 80 Prozent liegt, beträgt die Quote der Menschen, die gemäß Bescheid "begünstigte Behinderte" sind, nur 50 Prozent. Betriebe, die mehr als 25 Mitarbeiter haben, somit gesetzlich "begünstigt Behinderte" einstellen müssten und dafür Förderungen erhalten würden, "kaufen sich lieber frei, das ist einfach", sagt dazu Behindertenanwalt Siegfried Suppan. 73 Prozent der steirischen Betriebe haben 2021 die Ausgleichstaxe von 271 bis 404 Euro pro Monat bezahlt. Menschen mit Behinderung bleibt nur ein Viertel der einstellungspflichtigen Betriebe als Option über.
Oft scheitert es am "Kündigungsschutz", wissen Suppan und das Arbeitsmarktservice, das mit dem Sozialministeriumservice für arbeitsfähige Menschen mit Behinderung zuständig ist. Wobei der Schutz schon lange "aufgeweicht" ist. Er gilt in den meisten Fällen erst vier Jahre nach Arbeitsbeginn. "Das Argument hält nicht", sagt Suppan. Er fordert seit Jahren, dass das Freikaufen teurer, die Taxe erhöht wird. Der Bund sei am Zug.
Bund will Taxe diskutieren
Das allein werde aber nicht reichen, meint Simone Kosnik vom Netzwerk Berufliche Assistenz (NEBA). "Es braucht mehr Information", sagt sie. Darauf setze auch das Land. Soziallandesrätin Doris Kampus: "Für Menschen mit Behinderung bedeutet ein inklusiver Arbeitsmarkt zum Beispiel soziale Selbstständigkeit." Gerade jetzt, betont Behindertenanwalt Suppan, wo die Krisen Menschen mit Behinderung besonders hart treffen, müsste man handeln.
Der Bund verweist auf den – von Vereinen viel kritisierten – Nationalen Aktionsplan Behinderung (NAP), den man bis 2030 umsetzen will. In dessen Rahmen wolle man eine Adaptierung der Ausgleichstaxe diskutieren.
Lisa Heiling will jedenfalls nicht aufgeben und weiterhin Bewerbungen schreiben: "Meine Beeinträchtigung ist kein Hindernis. Aber mir gehen langsam die Stellen aus."