Es war ein unfassbar heimtückisches Verbrechen, dass die 21-jährige Gisela Hojas am 21. August 1951 begangen hat: Sie mischte Arsen – im Volksmund Hittrach – in den Brennsterz, den sie als Mittagsessen für ihre Familie zubereitete. Ihr Vater Johann Hojas (43), der Besitzer des „Bärenhofes“ in Piberegg bei Voitsberg, ihr Bruder Johann (14) und ihre Tante Christine Kolb hatten keine Überlebenschance.
Gisela Hojas selbst aß nur ganz wenig von der vergifteten Mahlzeit, rannte in den Schweinestall und übergab sich. Als sie ins Haus zurückkam, lebten die Opfer zwar noch, rangen aber bereits mit dem Tod. Noch bevor sie die Rettung und einen Arzt verständigte, warf sie das restliche vergiftete Essen aus dem Fenster. Hund, Katze, Hühner, sogar die Fliegen, die sich über die Speisereste hermachten, verendeten Sekunden später.
Johann Hojas und Christine Kolb starben kurz nach ihrer Einlieferung im Krankenhaus Voitsberg. Um das Leben des 14-Jährigen kämpften die Ärzte viele Stunden. Am späten Abend war auch er tot. Gisela Hojas wurde ebenfalls ins Spital gebracht, sie war aber nie in Lebensgefahr.
Nicht nur ihren Zimmerkolleginnen fiel auf, dass die junge Frau vom „Bärenhof“ kein einziges Mal nach dem Zustand ihrer Angehörigen fragte. Nur dem Vieh galt ihre Sorge. Darüber wunderten sich auch die Ärzte und Schwestern. Und überhaupt: Wie konnte sie einen derartigen Giftanschlag überleben?
Die Mordermittler der Gendarmerie-Kriminalabteilung holten die Verdächtige noch am selben Tag im Krankenhaus ab und brachten sie zum Gendarmerieposten. Sie sagten ihr auf den Kopf zu, dass sie ihre Familie ermordet hat. Unter den erdrückenden Beweisen legte sie schließlich ein Geständnis ab und nannte auch das Motiv: Hass auf ihren Vater. Und sie wollte alleinige Hoferbin sein. Damit aber nicht genug: Sie beschuldigte ihren Onkel, den Holzhändler Wilhelm Kolb (26), der Anstiftung zum Mord.
Tatsächlich hatte er mit der Tatverdächtigen jahrelang eine sexuelle Beziehung. Es kam zu zwei Schwangerschaften und zwei Abtreibungen. Wilhelm Kolb leugnete, gab nie etwas zu, doch er verwickelte sich in Widersprüche. Er kam in Untersuchungshaft.
Der Schwurgerichtsprozess begann am 11. März 1952 im Grazer Straflandesgericht. Ausführlich wurde das Vorleben der Beschuldigten erörtert. Die Angeklagte war das uneheliche Kind einer Landwirtstochter. Ihre Mutter heiratete den „Bärenhof“-Bauern Johann Hojas, der Gisela adoptierte. Wilhelm Kolb war der Sohn der gehörlosen Christine Kolb, die als Auszüglerin auf dem „Bärenhof“ lebte. Als die Bäuerin starb, musste die Angeklagte ganz allein für den Haushalt sorgen. Es kam zu Streitigkeiten mit ihrem Vater, sie fühlte sich nicht akzeptiert, wollte aber die Bäuerin sein.
Zwischen dem Bauern und Wilhelm Kolb gab es ebenfalls Differenzen. Zwei Gründe sind dafür in den Akten angeführt: Wilhelm Kolb hatte sich von Johann Hojas 3000 Schilling ausgeborgt, das Geld aber nicht zurückgezahlt. Und er wollte die Kuratorfunktion für seine Mutter übernehmen, die der Bauer innehatte. Deshalb soll der Holzhändler seine Geliebte gegen den Vater aufgehetzt und sie schließlich zum Mord angestiftet haben. Der Dreifachmord sollte einem Glasarbeiter (52) in die Schuhe geschoben werden.
Nach eineinhalb Tagen fällte das Gericht die Urteile: Kolb bekam lebenslang, Hojas 20 Jahre. Nach neun Jahren kam die Frau frei – sie starb einige Jahre später in einem Kloster in der Schweiz. Wilhelm Kolb musste 18 Jahre absitzen und wurde 1985 für eineinhalb Jahre Bürgermeister in der Gemeinde Kohlschwarz. Mitte der neunziger Jahre starb auch er.
2003 verfilmte der Weststeirische Video- und Filmclub das Drama am „Bärenhof“. Es war der erste Kriminalfilm, den der Club gedreht hat. Titel: "Drei Bissen zum Mord – tödlicher Hittrach".