An einem einzigen Tag hat Carina Frank in ihrer Apotheke am Grazer Jakominiplatz zehn Menschen enttäuschen müssen. Die Medikamente, die auf den Rezepten standen, hatte sie einfach nicht vorrätig. "Es handelt sich zum Beispiel um sehr gängige Antibiotika", schildert sie. Lieferengpässe sind schuld. Ideale alternative Medikamente mit demselben Wirkstoff konnte Frank auch nicht anbieten. Da der Wirkstoff nicht geliefert werden könne, fehlen ganze Generika, das sind Nachahmerpräparate, hergestellt von anderen Unternehmen. "Das ist so, als ob ich einen Liter Milch brauche. Da gibt es verschiedene Marken. In dem Fall gibt es aber nur Sauer- oder Buttermilch", vergleicht Frank.

Steiermark- und sogar österreichweit gibt es Engpässe bei den Medikamenten, bestätigt Gerhard Kobinger, der Präsident der steirischen Apothekerkammer. Es fehlen neben Antibiotika unter anderem Erkältungsmittel und Blutdrucksenker, hört man aus steirischen Apotheken. Das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen listet aktuell in Österreich 431 Medikamente auf, die gar nicht oder eingeschränkt verfügbar sind, darunter sind auch Schmerzmittel, Augentropfen, Antidepressiva oder Schilddrüsen- und Herzmedikamente.

Stundenlanges Suchen

Kommt ein Patient mit einem Rezept in die Apotheke und das verschriebene Medikament ist nicht vorrätig, dann müssen sich die Apothekerinnen und Apotheker auf die Suche nach Ersatzmedikamenten machen. Das ist aufwendig. "Ungefähr zehn Stunden in der Woche verbringen wir mit Suchen", sagt Kobinger – pro Apotheke wohlgemerkt.

Oftmals müsse man Rücksprache mit dem Arzt halten, der das Rezept geschrieben hat. Auch komme es vor, dass die Kunden noch mal zum Arzt gehen und das abklären müssen. Die Kunden reagieren teils verwirrt oder verärgert. "Wenn sie jahrelang dasselbe nehmen, dann ist es anstrengend, sie davon überzeugen, dass sie etwas anderes nehmen", schildert eine Apothekerin aus der Obersteiermark. Wann die fehlenden Medikamente wiederkommen, sei schwer abzuschätzen, darüber werden die Apotheken vom Großhandel nicht informiert. Manchmal müsse man monatelang warten. "In aller Regel", sagt Kobinger, finde man aber ein Ersatzmittel. "Sehr schwierig" wird es dann, wenn es keine Alternativen mehr gibt, so wie es in der Apotheke von Carina Frank passiert ist.

Großteil wird in Asien produziert

Warum es zu Engpässen kommt? Die meisten Medikamente beziehungsweise Wirkungsstoffe werden in Asien produziert, zum Beispiel in China, Pakistan oder Indien. Das ist billig. Wenn dort zum Beispiel eine Charge fehlerhaft ist oder ein Transportschiff nicht ablegen kann, dann spüren das die Apotheken in Europa ein paar Monate versetzt. Neu sei das Phänomen nicht, sagt Kobinger. Aber seit Ausbruch der Pandemie, seit dem Ukraine-Krieg und der Energiekrise komme es immer häufiger zu Engpässen und Ausfällen. Vor allem, wenn das Medikament dann auch noch stark nachgefragt ist. Es liegt nicht einmal nur an den Wirkstoffen, weiß Apothekerin Carina Frank. "Es sind oft Kleinigkeiten wie die Verpackungen, die nicht hier produziert werden und auf einmal nicht lieferbar sind und die Produktion von Medikamenten zum Stillstand bringen."

Die Apotheker appellieren deshalb, dass die Produktion von Medikamenten und allem, was dazu gehört, wieder vermehrt nach Europa verlagert wird. So würden die Abhängigkeiten kleiner werden. Und je näher die Produktion, umso besser würden die Lieferketten funktionieren. Der Bund und die EU sind gefragt.