Seit Donnerstagfrüh stehen die Hintergründe zu der Tragödie fest, bei der ein 27-jähriger Polizist während einer Trainingsübung im Keller der steirischen Landespolizeidirektion in Graz-Straßgang angeschossen und tödlich verletzt wurde. Nachdem die Ermittlungserkenntnisse vorlagen, bestätigte Kontrollinspektor Markus Lamb der Kleinen Zeitung: "Der Ausbildner hat den tödlichen Schuss abgegeben. Er ist 39 Jahre alt, ein sehr erfahrener Kollege. Der Schuss kam aus seiner Waffe – es war offenbar ein fürchterliches Missgeschick, eine tragische Verwechslung, dass er zur echten Waffe gegriffen hat, als er einen Übungsvorgang herzeigen wollte." Alle anderen Beteiligten hatten Übungswaffen bei sich. Eine scharfe Waffe wurde also mit einer Übungswaffe (Rot- oder Blauwaffe) verwechselt. Es wurde darauf vergessen, die Waffe zu tauschen, so die Polizei zusammenfassend.

Der erfahrene Übungsleiter hatte Mittwochnachmittag wie vorgeschrieben die Dienstwaffen der Auszubildenden eingesammelt und verwahrt. Die jungen Kollegen erhielten danach sogenannte Rotwaffen. Diese sind baugleich mit den echten Dienstwaffen, doch sie können nicht geladen werden. Drückt man den Abzug, ist daher lediglich ein Klicken zu hören. Während der Übungsleiter die echten Waffen der anderen verstaute, vergaß er darauf, seine eigene ebenfalls auszutauschen, schilderte die Staatsanwaltschaft. Laut Staatsanwaltschaft bestehe "kein Zweifel" mehr am Hergang: Während der Übungsleiter die echten Waffen der anderen verstaute, vergaß er eben darauf, seine eigene ebenfalls auszutauschen.

Anschließend zeigte der 39-Jährige in einem Gang vor, was zu tun ist, wenn die Gruppe hintereinander geht und nach einem gefährlichen Täter sucht. Er wollte demonstrieren, dass der Kollege in der Mitte in einer gefährdeten Position ist, zog seine Waffe und schoss dem 27-Jährigen aus kurzer Distanz in den Rücken. Der Ausbildner war der Meinung, er selbst hätte auch eine Rotwaffe in seinem Holster - doch es war keine Übungswaffe. Statt dem Klicken löste sich ein Schuss, der getroffene Polizist stürzte zu Boden. Das Projektil traf offenbar eine lebenswichtige Ader, daher war der junge Kollege nicht mehr zu retten.

Die Angaben des 39-Jährigen, der noch Mittwochabend vernommen wurde, stimmen mit der bisher vorliegenden Spurenlage überein. Er gestand auch, den Abzug gedrückt zu haben. Seine Waffe war auch die einzige in der gesamten Übungssituation, die scharf war. Der Schütze wird sich wohl wegen grob fahrlässiger Tötung verantworten müssen.

"Es ist furchtbar, wenn einer der eigenen Kollegen stirbt. Die schwarzen Fahnen hängen bei uns in der Polizeidirektion, die Stimmung ist seit gestern Nachmittag sehr getrübt", sagt ein Polizist am Donnerstag zur Kleinen Zeitung. Das Opfer (ledig) hatte im Dezember 2019 seine zweijährige Ausbildung bei der Polizei begonnen, begann dann seinen Dienst bei einer Polizeiinspektion. Zum Zeitpunkt des Unglücks hielten sich sechs Polizeibeamte der Bereitschaftseinheit im Übungsraum auf, um dort Taktikübungen durchzuführen, wo Fertigkeiten in der Fortbewegung trainiert werden.

Schussabgabe

"An Mutmaßungen und Spekulationen von Medien bezüglich jenes Kollegen, der den Schuss abgegeben hat, wollen und können wir uns zum jetzigen Zeitpunkt nicht beteiligen", bat Kontrollinspektor Markus Lamb zunächst noch um Verständnis, den Lauf der Ermittlungen abzuwarten. "Fünf Männer waren dabei, wir müssen abwarten, bis alle formell befragt worden sind." Die Ermittlungen waren dann in der Früh abgeschlossen – es erfolgte die Bestätigung über den Unfallhergang. "Der Schuss fiel aus nächster Nähe, hat den 27-Jährigen im Bereich des Rückens getroffen und getötet."

Der verunglückte Polizist aus dem Bezirk Voitsberg war Mitglied der Bereitschaftseinheit. In den Vormittagsstunden war er noch bei einer Suchaktion nach einer abgängigen dementen Frau aus Laßnitzhöhe im Einsatz. Danach dürfte der Beamte mit anderen Kollegen spontan entschieden haben, interne Trainingseinheiten durchzuführen. Dabei kam es zu diesem tödlichen Schuss. Anwesende Beamte sowie eine Polizeiärztin leisteten sofort Erste Hilfe und setzten die Rettungskette in Gang. Doch auch alarmierte Rettungssanitäter sowie ein Notarzt konnten den 27-Jährigen nicht mehr retten. Für ihn kam jede Hilfe zu spät, er starb noch am Unglücksort.

Tatort- und Mordermittler vor Ort

Bei derartigen Fällen ist es üblich, dass die Ermittlungen von Experten anderer Bundesländer übernommen werden, im konkreten Fall durch das Landeskriminalamt Oberösterreich. Am Nachmittag wurden bereits erste Begehungen unter anderem auch durch die Staatsanwaltschaft Graz, einem Sachverständigen für Schusswaffen sowie Tatort- und Mordermittler durchgeführt. Die bei der Übung verwendeten Schusswaffen wurden für den Zweck einer kriminaltechnischen Untersuchung sichergestellt.

Landespolizeidirektor Gerald Ortner zeigt sich in einer ersten Reaktion tief betroffen über das tragische Unglück: "Mein tiefstes Mitgefühl gilt in dieser Stunde den Angehörigen und der Familie des jungen Kameraden." Unmittelbar betroffene Polizisten sowie Angehörige werden seit gestern vom Kriseninterventionsteam betreut.